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Das Achtsamkeits Buch

Das Achtsamkeits Buch

Titel: Das Achtsamkeits Buch
Autoren: Halko Weiss , Thomas Dietz
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anderen, noch feineren Körperempfindungen. Die Wahrnehmung dieser körperlichen Veränderungen führt wiederum zuErinnerungen und Gedanken, die ebenfalls mit Bedrohung, vielleicht mit Ohnmacht und Ausgeliefertsein verbunden sind. Diese verstärken ihrerseits wieder die Angst. In einem Angstzyklus können verschiedene Regelkreise zu einer gegenseitigen Aufschaukelung führen.
    Achtsamkeit kann zu einer Durchbrechung dieser Zyklen beitragen, indem sie diese in ihre einzelnen Elemente zerlegt. Die körperlichen Qualitäten von Angst wie Kurzatmigkeit und Zittern, innere Bilder und innere Monologe können jeweils einzeln in den Fokus der Aufmerksamkeit genommen und beobachtet werden. Dieses Verweilen in der Beobachterposition verhindert, dass man ganz in den Bann der inneren Bilder oder der körperlichen Empfindungen gezogen wird. Die Angst verliert ihren überwältigenden Charakter.
    Den Gegenpol zu dieser Vorgehensweise bildet der Weg, einen anderen Fokus zu wählen. Die sogenannte 5-4-3-2-1-Methode (siehe Übung »5-4-3-2-1-Methode«, S. 118) nutzt dieses Prinzip, indem man die Aufmerksamkeit bewusst zwischen neutralen oder positiv besetzten Objekten der Außenwelt hin und her pendeln lässt. Dies geschieht auf drei Sinneskanälen: 5 Dinge sehen, 5 Dinge hören, 5 Dinge spüren, danach 4 Dinge spüren, 4 Dinge hören u.s.w. bis zu einem Ding, das man sieht, einem das man hört und einem das man spürt.
     
    Gefühle aus Sicht der buddhistischen Psychologie
    Ob etwas heilsam oder nicht heilsam, konstruktiv oder destruktiv ist, wird im Buddhismus daran gemessen, ob es zu Glück oder Leiden führt, d.h. ob Anderen oder einem selbst Schaden zugefügt wird. Auf dem buddhistischen Übungsweg erkennt der Anfänger die Destruktivität von Emotionen im Nachhinein, wenn sie schon zu Handlungen geführt haben. Auf der nächsten Stufe erfolgt die Auseinandersetzung mit Emotionen, während sie entstehen, in der Phase der Bewertung des Auslösers, der Gedanken oder der Handlungsimpulse. Mit einiger Übung gelingt es, Emotionen und Gedanken auch wiederloszulassen. Nach langer Praxis ist es möglich, gegenüber Emotionen so gerüstet zu sein, dass sie ihre Macht erst gar nicht entwickeln können. Unheilsame Gefühle entstehen nicht mehr.
    Mit destruktiven Emotionen beschäftigen sich Matthieu Ricard in seinem Vortrag und die nachfolgenden Diskussionen mit dem Dalai Lama auf der »Mind and Life Konferenz« im Jahre 2000. Der Franzose Ricard (2007) hat jahrzehntelange Schulung in tibetischen Klöstern hinter sich, dolmetscht für den Dalai Lama und schreibt Bücher. Etwa ein Jahr nach dieser Konferenz stellte er sich für mehrere wissenschaftliche Versuche zur Verfügung. Dabei wurden einige der aufgeworfenen Fragen untersucht.
    In Berkeley galt ein Experiment der Erforschung einer normalerweise reflexhaft ausgelösten und somit automatischen Reaktion: der sogenannten Schreckreaktion. Der auslösende Reiz war ein gewaltiger Knall, wie von einem Pistolenschuss oder einem nah am Ohr explodierenden Feuerwerkskörper. Mittels Video wurden Muskelzuckungen im Gesicht aufgezeichnet, die Herzfrequenz, der Blutdruck und die Schweißsekretion wurden registriert. Während der Experimente praktizierte Matthieu Ricard zwei unterschiedliche Meditationstechniken: einen Zustand der Offenheit und einen der Konzentration. Er selbst beschrieb dabei sein Erleben folgendermaßen: »Als ich in den offenen Zustand ging, kam mir das Explosionsgeräusch leiser vor, so als sei ich distanziert von den Empfindungen, so als hörte ich das Geräusch aus der Ferne. … Wenn man richtig in diesem Zustand bleiben kann, kommt einem der Knall neutral vor, wie wenn ein Vogel vorbei fliegt.« Seine Gesichtsmuskeln zeigten im offenen Zustand nicht die geringste Erregung, was in der vorangegangenen Versuchsreihe niemandem gelungen war. Die physiologischen Werte zeigten durchaus typische Veränderungen (Goleman, 2003, S. 44).
    Bei meditativer Konzentration auf ein Objekt trat das Gegenteilder normalen automatischen Reaktion ein: Blutdruck und Herzfrequenz sanken. Die Gesichtsmuskeln zeigten eine geringe Reaktion. Ungewöhnlich war allerdings, dass er die Augenbrauen nach oben zog, bei allen anderen Versuchspersonen gingen sie nach unten.
    Die Messung der Schreckreaktion eines Menschen lässt Rückschlüsse auf die Intensität seiner Gefühle zu, somit darauf, wie stark er aus seinem inneren Gleichgewicht kommt. Diese »einspitzige« Konzentration hatte einen
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