Das Achtsamkeits Buch
angewiesen zu sein.
Meist mischen sich beide Strategien und es wird offensichtlich, dass der Therapeut einen Hilfe suchenden Menschen dabei unterstützt, seine Aufmerksamkeit neu zu lenken und zu ordnen. Man könnte auch sagen, dass nun zwei Personen Einfluss auf die Bewusstseinsprozesse haben, nicht mehr nur eine . Die Psychologie bezeichnet das als Ko-Regulation, auch wenn dieser Begriff meistens für die Regulation von Gefühlen verwendet wird (Schore, 1994).
Aus dieser Perspektive ist die Ko-Regulation von Aufmerksamkeitsprozessenein Grundbaustein aller bestehenden Behandlungsmethoden. Die zentrale Rolle der Aufmerksamkeitsregulation wird heute auch durch die neurobiologische Forschung bestätigt (Posner & Petersen, 1990). Und gerade in der Arbeit mit Achtsamkeit rückt ihre Bedeutung in den Vordergrund.
Bei allen Interventionen, die ein tiefenpsychologisch und achtsamkeitszentriert arbeitender Therapeut anbietet, gilt es daher, die Bewusstseinszustände des Klienten ständig im Auge zu haben, durchgehend dafür zu sorgen, dass Achtsamkeit sich über den Behandlungsverlauf vertieft und dass die besonderen Möglichkeiten der Achtsamkeit genutzt werden.
Gemeinsam in Achtsamkeit zu verweilen und sich dabei laufend auszutauschen, bringt eine neue Qualität in die Beziehung. Beide sind in einem besonderen Zustand, der sich durch hohe Sensibilität, Wachheit und Toleranz auszeichnet. Beide sind offen, neugierig und entspannt. Beide sind sehr fein auf das eingestellt, was im Klienten vorgeht. Insbesondere, wenn der Klient sich schon einige Fertigkeiten angeeignet hat, können sie zusammen über längere Zeit in solchen sensiblen Zuständen verweilen – Zustände, die sowohl zum Erkunden der Innenwelt, als auch zum Erlernen von neuen Sicht- und Erfahrensweisen besonders geeignet sind.
In einer von Achtsamkeit durchwirkten Methode werden sich insbesondere folgende Schwerpunkte herausbilden:
• Eine der Hauptaufgaben des Therapeuten ist es, die Bewusstseinszustände des Klienten genau zu beobachten und laufend zu verfolgen, ob sich dieser im Alltagsbewusstsein oder in Achtsamkeit befindet. Denn die unterschiedlichen Zustände erfordern jeweils ein spezifisches Verhaltensrepertoire des Begleiters. Dabei ist es wichtig, aktivierte »Teile« (siehe »Persönlichkeitsanteile – ein hilfreiches Modell der Innenwelt«, S. 133) zu bemerken und zur richtigen Zeit anzusprechen, um damit den Beobachter einzuladen.
• Wenn sich bestimmte innere Phänomene zur Untersuchung anbieten und der Klient daran interessiert ist, führt ihn der Therapeut in einen Zustand von Achtsamkeit. Die Aufmerksamkeit wird nach innen gerichtet und der »Innere Beobachter« eingeladen. Dieser kann dann beobachten, welche automatischen inneren Abläufe auftreten.
• Der Therapeut unterstützt den Zustand der Achtsamkeit, indem er den Klienten zum Verweilen ermuntert, viel Zeit gibt, sehr langsam arbeitet und eventuell durch Untersuchen von Details der auftretenden Erfahrung eine immer genauere Betrachtung fördert. Damit wird die Achtsamkeit weiter vertieft.
• Dabei ist wichtig, dass der Therapeut in einer warmen und annehmenden Haltung laufend verbalen Kontakt mit dem Klienten hält, der ihm aus der Position des Beobachters schildert, welche Ereignisse er in seinem Inneren bemerkt.
Der Ablauf kann dem ähneln, was dem Protokoll einer Sitzung mit der Pädagogik-Studentin Tinka L. zu entnehmen ist:
Klientin: (erzählt von einem Streit mit ihrer Chefin bei einer Tele-Marketing-Firma) »Dabei hatte ich sehr wohl beide Zettel ausgefüllt … sie hatte nur nicht richtig nachgeschaut. Jedenfalls hat sie mich derart angebrüllt, dass mir fast das Trommelfell geplatzt ist … und alle haben natürlich rübergeschaut.« (Das sagt sie alles mit lächelndem Gesicht.)
Therapeut: »Du lachst (Pause) aber es scheint dir nicht wirklich nach Lachen zumute zu sein?«
Klientin: (Gesicht wird ernst) »Nö, … nö, … das ging mir schon ganz schön nahe.« (Der Therapeut ist sich bewusst, dass die Klientin aus dem Alltagsbewusstsein heraus erzählt, entfernt vom gegenwärtigen Moment. Er nutzt den Widerspruch zwischen zwei »Teilen«, die sie bemerkt, einem beschämten und einem zweiten, der die Scham verbergen will, um einen Schritt in die Achtsamkeit vorzubereiten.)
Therapeut: »Das trifft dich irgendwie?« (Er spricht in der Gegenwartsform.)
Klientin: »Ja, das ist mir unheimlich peinlich.«
Therapeut: »Ist es Scham,
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