Das Achtsamkeits Buch
»Wozu Achtsamkeit?«, S. 35) . Jeder, der einmal meditiert hat, weiß davon zu berichten: Man nimmt sich vor, beispielsweise bestimmte Bewegungen beim Atmen zu beobachten, aber die Aufmerksamkeit beginnt oft schon nach einigen Sekunden zu wandern. Sie folgt irgendwelchen Gedankenketten (»monkey-mind«), ohne dass man das beabsichtigt hat oder überhaupt bemerkt. Manchmal fällt einem erst nach Minuten auf, dass die Gedanken sich selbständig gemacht haben und die ursprüngliche Absicht vergessen wurde. Erst durch längeres Üben stabilisiert sich die Wahrnehmung: Es gelingt immer länger und leichter, mit der Aufmerksamkeit bei der Atmung zu verweilen.
b) Ungerichtete Aufmerksamkeit: Ungerichtete Aufmerksamkeit bezeichnet die Fähigkeit, einen offenen, abwartenden Fokus zu halten, ohne auf etwas Bestimmtes konzentriert zu sein. Es ist dann so, als ob man mit »weichem« Blick nach innen schaute. Der Blick ist passiv, wach und weit und umfasst die gesamte Landschaft der Innenwelt, ohne sich verengend an irgendeinen Aspekt zu binden. Diese Art wahrzunehmen erlaubt es, auf Überraschendes zu stoßen, auf das, was mannicht immer automatisch zuerst wahrnimmt. Sie schafft Platz, um Elemente auszuwählen, welche noch nicht so bewusst sind und vielleicht ebenfalls der Aufmerksamkeit würdig sind.
Ein interessantes Paar: Das Implizite und das Unbewusste
Durch die Fortschritte in der neurobiologischen Forschung hat sich das Verständnis des »Unbewussten« um das Wissen über das »implizite Gedächtnis« erweitert (siehe Exkurs »Implizites und explizites Gedächtnis«, S. 214). Wesentliche Erkenntnisse Sigmund Freuds wurden bestätigt, vieles wird aber auch anders und genauer verstanden. So ist man sich zum Beispiel mit der Psychoanalyse weitgehend einig darüber, dass die frühen Jahre prägend sind, dass es aus den ersten zwei Jahren keine bewussten Erinnerungen gibt und dass die Beziehungserfahrungen mit den Eltern das weitere Leben prägen. Neben dem Konzept der Verdrängung wurde deutlich, dass vieles von dem, was innere Konflikte verursacht, nie bewusst war und deshalb gar nicht »verdrängt« werden musste. Vielmehr beginnt das ursprünglich prägende Erleben bereits im Mutterleib und wird vor allem im »emotionalen« und »impliziten« Gedächtnis gespeichert (Schacter, 1992, 1997; Kandel et al., 1995; Schacter & Scarry, 2000; Roth, 2003).
Dieser Teil des Gedächtnisses lernt, sich auch auf eine problematische Umwelt bestmöglich einzustellen, ohne dass die Lernerfahrungen jemals bewusst werden. Diese spiegeln sich stattdessen in Gefühlen, in der körperlichen Organisation und in automatischen Verhaltensabläufen wider, und haben eher Ähnlichkeit mit dem, was in der Tiefenpsychologie »Vorbewusstes« genannt wird. Ein beliebtes Beispiel ist unser Spracherwerb: Ein vierjähriges Kind kann normalerweise grammatikalisch weitgehend korrekt sprechen. Wenn man es aber nach den grundlegenden Regeln der Grammatik befragen würde, könnte es nichts darüber sagen. Dieses Wissen wurde ganz von allein und ohne Beteiligung des Bewusstseinsaus den Ereignissen in der Umwelt »herausdestilliert«. Das Kind hat ein großes Wissen, das nicht benannt werden kann und niemals benannt wurde.
Während es sicherlich Aspekte innerer Konflikte gibt, die »verdrängt« wurden, weil sie zu bedrohlich erschienen, wird zunehmend solchen Lernprozessen Bedeutung zugesprochen, die sich aus Konflikten mit unvereinbaren Bedingungen in der Außenwelt ergeben. Diese Lernprozesse erscheinen als konstruktive Anpassungsleistung des Kindes an eine ungünstige Lage. So lernt ein Kind auf vollkommen unbewusste Weise viel Wichtiges über die Gestaltung von Beziehungen. Ohne sich je darüber bewusst zu werden, lernt es dies im Allgemeinen aus den Beziehungen zu den ursprünglichen Bezugspersonen (Stern, 2002).
Ähnliches kann man beispielsweise über das »Wissen« sagen, das unsere Erwartungen dem Leben gegenüber beeinflusst, über unser Bild von uns selbst oder die Gefühle, die uns steuern, ohne dass wir sie wirklich erklären könnten. So organisieren wir unser Leben mit Hilfe von unbewussten, automatisierten inneren Abläufen und Prozeduren, die einfach »so sind«, ohne dass wir wissen, woher wir sie haben.
Exkurs:
Implizites und explizites Gedächtnis
Beim Langzeitgedächtnis unterscheidet man das implizite Gedächtnis vom expliziten Gedächtnis:
Das explizite oder auch deklarative Gedächtnis enthält Tatsachen und
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