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Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Text und sah prüfend in die Runde, um sich der uneingeschränkten Aufmerksamkeit zu versichern.
    »Hört, hört!«, rief er schließlich launisch. »Die freie Stadt Darabar erhebt Anklage gegen zwei Missionsreisende fragwürdiger Herkunft. Die verdächtigen Subjekte werden der folgenden Vergehen beschuldigt: Vertrauenserschleichung des ortsansässigen Orakels, Unterwanderns amtlicher Dekrete und Grenzmauern, unerlaubtem Betreten eines Schutzgebietes, mutwilligen Verlassens nicht ausgeschilderter Wanderwege sowie schweren Baumfriedensbruchs. Auf Anordnung des Magistraten von Darabar erkläre ich Euch hiermit für angekommen!«
    »Festgenommen«, korrigierte ihn der Büttel.
    Der Sittenrichter wandte sich kurz zu seinem Gehilfen um, beließ es jedoch bei einem giftigen Blick. »Die Ergreifung der Delinquenten erfolgte in flagranti«, fuhr er fort. »Primär geschädigter und geschändeter Kronzeuge der Freveltat: Nebethaum, seines Zeichens Weltenbaum.« Der Schwarzgekleidete trat ein paar Schritte vor, hielt die Schriftrolle in die Höhe und rief ins Geäst: »Wenn Ihr bitte noch hier unterzeichnen würdet …«
    Aus der Baumkrone fiel eine Portion Vogelkot auf das Dokument. Der Sittenrichter prüfte die Signatur, nickte zufrieden, pustete den Klecks trocken und rollte die Schriftrolle wieder zusammen. »Die Proklamation der Anklage ist hiermit ordnungsgemäß abgeschlossen«, informierte er den Wachkommandanten.
    Dieser trat von hinten an Mira und Jiril heran und legte jedem eine Hand auf die Schulter. »Wenn mir die Delinquenten nun bitte folgen würden …«
    »Ja, aber wohin denn?«, erschrak Mira.
    »In den Justizpalast, junge Dame«, sagte Bassal Diala. »Zur Klärung des Sachverhalts – und zu eurer Verurteilung. Ferner halte ich es für ratsam, die Verletzungen zu versorgen.«
    »Bindet sie!«, wies der Sittenrichter zwei der Wachen an. »Nicht dass ich an den Fähigkeiten Eurer Männer oder der Treffsicherheit Eurer Schützen auf der Stadtmauer zweifeln würde«, rechtfertigte er sich gegenüber dem Wachkommandanten, »aber sicher ist sicher. Die beiden scheinen mir mit allen Wassern gewaschen.«
     
    Mit Seilen aneinandergebunden und von zwei Wachen flankiert, wurden Mira und Jiril im Gänsemarsch hinauf zum Stadttor geführt. Vorweg ging Bassal Diala, dicht gefolgt von einem Wächter, der in regelmäßigen Intervallen in ein Horn blies, um auf den nahenden Gefangenentrupp aufmerksam zu machen. Hinter Jiril stolperte der Büttel mit der Ledertasche den Trampelpfad hinauf. Als Letzter folgte der Sittenrichter, seine Gefangenen stets im Auge behaltend.
    »Würdest du mir bitte mal verraten, was du in diesem Baumloch getrieben hast?«, zischte Jiril Mira von hinten ins Ohr. »Ich wüsste nämlich gerne, warum ich gerade als Verbrecher abgeführt werde.«
    Mira zuckte hilflos mit den Schultern. »Später«, murmelte sie.
    »Wer hat dich überhaupt so zugerichtet? Hast du dich mit einem Höhlentroll geprügelt?«
    »Ich … bin gestürzt.«
    »Na klar doch. Konntest du davor wenigstens eine dieser Samenkapseln pflücken?«
    Mira schüttelte den Kopf.
    »Großartig!«, brummte Jiril. »Wofür haben wir eigentlich die gesamte letzte Nacht totgeschlagen? Mich zum Affen machen, hätte ich auch allein gekonnt …«
    Die Strecke vom Osttor bis zum Justizpalast erwies sich als wahrer Spießrutenlauf. Zur besten Marktzeit war auf den Straßen und Gassen die halbe Stadt unterwegs.
    »Frische Delinquenten!«, rief eine der Krämerinnen beim Anblick der Gefangeneneskorte und trat damit eine verbale Lawine los. »Wurde ja auch langsam Zeit!«, meinte einer der Käufer an ihrem Stand. »Hängen!«, forderten mehrere Leute im Chor. »Enthaupten!«, kam es sogleich von der anderen Straßenseite. »Nein, verbrennen«, keifte jemand. »Langweilig«, hielt eine Frauenstimme dagegen und forderte: »Zweiteilen!« – »Vierteilen!«, überbot eine männliche Stimme die Forderung sofort. Mira zog verschüchtert den Kopf ein, während der Pöbel der Eskorte zu folgen begann. »Rädern!«, schallte es durch die Straßen. »Lebendig begraben!«, aus einem Fenster. »Da sieht man doch gar nichts«, widersprach jemand. »Recht hat er!«, rief der Pöbel. »Aufspießen! Ausweiden! Pfählen! Ertränken! Bei lebendigem Leib kochen …!« Und so weiter und so weiter. Als sie endlich den Justizpalast erreicht hatten und die aufgebrachte Menge vor den Toren zurückbleiben musste, wünschte sich Mira nichts sehnlicher, als auf der Stelle

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