Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
Vom Netzwerk:
einfach nur tot umzufallen.
    Durch einen langen Säulengang wurden sie in einen Innenhof mit einem Springbrunnen geführt, der von einer mächtigen Metallstatue überragt wurde. Sie besaß den Körper einer Schlange, doch den Kopf und die Schultern einer Frau. In ihren Armen trug sie zwei Krüge, aus denen unablässig Wasser in den Brunnen rann.
    »Floyresta«, erklärte der Wachkommandant, als Mira für einen Augenblick fasziniert stehen blieb. »Göttin der Gerechtigkeit, Schützerin der Armen, Hüterin der moralischen Ordnung, Künderin des göttlichen Willens, Mutter der Quellen und Traumdeuterin der Götter.«
    »Kann sie auch kochen?«, fragte Jiril.
    »Vorzüglich Menschenfleisch«, bestätigte der Sittenrichter. »Als zartes Ragout, verfeinert mit einer Prise Curry und Spargelspitzen, einfach köstlich!«
    Ein strenges Räuspern des Wachkommandanten unterbrach die kulinarische Traumreise des Schwarzgekleideten. Bassal Diala wies auffordernd in Richtung eines wuchtigen Eingangsportals. Über dem Torsturz prangte die eingemeißelte Inschrift »Tempel der Gerechtigkeit«.
    Nachdem ein zum Justizpalast bestellter Arzt Mira versorgt und ihre Hand geschient hatte, wurde sie mit Jiril über mehrere Treppen und Flure schließlich in ein geräumiges Verhörzimmer geführt, das Bassal Diala zugleich als Kanzlei dienen musste. Nach dem Sittenrichter, seinem Aktenträger und den restlichen Wachmännern betrat noch eine ältere Frau den Raum, deren Gesicht zum größten Teil hinter dem Gestell einer klobigen Lupenbrille verborgen war. Sie setzte sich an ein kleines Pult und breitete diverse Schreibutensilien vor sich aus. Schließlich sah sie auf, deutete auf Mira und sagte mit knorriger Stimme: »Du!« Das Mädchen sah sich verunsichert um. »Genau, dich meine ich!«, bestätigte die Frau und deutete auf einen Bogen Papier: »Unterzeichnen!«
    Mira trat an das Pult heran und starrte auf das leere Blatt. »Aber da steht doch noch gar nichts drauf …«
    »Dann unterschreibst du eben zweimal«, entschied die Frau.
    Während Mira grübelte, wo die Logik hinter dieser Argumentation versteckt war, trat der Wachkommandant heran und flüsterte der Schreiberin etwas ins Ohr. Die Frau betrachtete daraufhin Miras Verband und verzog die Mundwinkel. »Na schön, wenn’s sein muss«, sagte sie und tauschte das leere Blatt gegen ein identisches zweites leeres Blatt aus. Dann schrieb sie an den oberen Rand in schnörkeliger Schrift: »Verhörprotokoll«.
    »Name?«, seufzte sie schließlich.
    »Mira.«
    Die Gerichtsschreiberin trug den Namen auf dem Protokoll ein, dann schien sie zu erstarren wie eine Maschine, der man den Strom abgestellt hatte. Als weiterhin gespanntes Schweigen im Raum herrschte, blickte die Frau ruckartig auf und fragte: »Ist das etwa alles?« Ihre grotesk vergrößerten Augäpfel blitzten das Mädchen aus den Linsen ihrer Brille an.
    Mira zögerte einen Moment lang und sah sich verstohlen um, dann schüttelte sie unmerklich den Kopf. »Mi…«, begann sie kaum hörbar. »Miranda.«
    Jiril hob kurz die Augenbrauen, sagte aber nichts.
    »Miranda also«, ergänzte die Schreiberin den Namen auf dem Papier. »Und wie weiter?« Sie fixierte Mira durch die Lupen ihrer Brille. »Muss ich dir denn alles aus der Nase ziehen, junge Dame?«
    »Was meinen Sie?«
    »Na, deinen Nachnamen, um Himmels willen!«, stöhnte die Frau. »Du wirst doch wohl einen Familiennamen haben!?«
    »Charrouxassevenice«, mischte sich Jiril ein. »Mit x, wie der, ähm … berühmte Dingsda … Dichter.« Er räusperte sich gekünstelt und zwinkerte Mira verschwörerisch zu. »Sie werden doch wohl Charrouxassevenice kennen!?«, setzte er nach, als er das Zögern der Schreiberin bemerkte. »Oder muss ich Ihnen den Namen erst noch buchstabieren?«
    Die Frau sah auf und blinzelte ihn durch die Linsen ihrer Lupenbrille konsterniert an.
    »Vielleicht sollten wir die formellen Angelegenheiten doch besser ans Ende der Anhörung verlegen«, erbarmte sich Bassal Diala der Situation. Er platzierte ein seltsames Gerät auf dem Schreibtisch, das Mira entfernt an Bauschs altertümliches Grammofon erinnerte. Es besaß Wahltasten und einen metallenen Schalltrichter, der in einem hölzernen Kastengehäuse mündete. Bassal Diala tippte eine sechsstellige Nummer in das Gerät, wartete einen Moment und fragte dann: »Ist der ehrwürdige Herr Magistrat zugegen?«
    Aus dem Trichter drang ein unverständliches Quäken.
    »Ausgezeichnet«, befand der Wachkommandant.

Weitere Kostenlose Bücher