Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
den Amerikanern dieses Museum hier für dreihunderttausend Euro renoviert. So werden Geschäfte gemacht.«
Nikolai schaute ihn verständnislos an, während er einen weiteren Schluck von seinem Bier nahm. Der Mann seufzte nachsichtig und fuhr fort. »Herzog Max von Bayern, der Vater der berühmten österreichischen Kaiserin Sissi, brachte 1837 dieses Artefakt von seiner Reise nach Ägypten mit nach Bayern. Genauso wie diese mumifizierte Königstochter, an der Sie vorhin vorbeigelaufen sind, oder dieses Ungetüm hier.« Damit deutete der Mann auf ein etwa vier Meter langes Nilkrokodil, das auf der gegenüberliegenden Seite des Schreibtischs an der Wand stand.
Nikolai betrachtete das Tier und schüttelte ungläubig den Kopf. »Und was machen diese ganzen Sachen hier in dieser gottverlassenen Gegend?«, fragte er in geringschätzigem Ton.
»Seien Sie bloß vorsichtig mit derartigen Verunglimpfungen!«, erwiderte sein Gegenüber verärgert. »Gott hat diese Gegend alles andere als verlassen. Einige der wertvollsten Sakralbauten Bayerns wie Vierzehnheiligen oder der Bamberger Dom stehen hier in dieser ›gottverlassenen Gegend‹, wie Sie sich auszudrücken beliebten.«
Nikolai schaute den Mann verwundert an. Dass sein Geldgeber als Kirchenmann agierte, war ihm schon vorher klar gewesen, doch die moralische Schizophrenie, sich über angebliche Gotteslästerungen zu erregen, aber gleichzeitig Mordaufträge zu erteilen, war dann doch zumindest belustigend. Nun ja, in seinem Geschäft gab es Spinner aller Art. Da war er als ausführendes Organ im Mordgewerbe psychisch jedenfalls noch einigermaßen im grünen Bereich, was man von seinem Arbeitgeber nicht zweifelsfrei behaupten konnte. Er erhob sich, trank mit einem letzten, langen Zug sein Bier aus und stellte den Krug zurück auf den Schreibtisch.
»Mein Auftrag ist beendet«, sagte er. »Ich werde nun gehen.«
Auch der Mann erhob sich und legte plötzlich wieder eine außerordentlich verbindliche Art an den Tag. »Ich wünsche Ihnen eine angenehme Abreise«, sagte er und lächelte Nikolai wissend an.
Der griff sich seinen Geldkoffer, um zu gehen, spürte aber plötzlich, wie sein Puls nach oben ging und eine unerklärliche Hitze in ihm hochstieg. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und musste sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch abstützen, um nicht umzukippen. Direkt vor ihm stand der leere Bierkrug, und er begriff. Er sah noch, wie der Mann höhnisch seine Mundwinkel verzog, dann verschwamm Nikolai der Blick, sein Herz raste, und er griff instinktiv zu seiner Waffe.
*
Driesel hielt sich nicht lange mit Parkplatzsuche auf und stoppte seinen BMW direkt vor dem großen Torbogen der Klostereinfahrt. Als sie ausstiegen, forderte einer der wachhabenden Bereitschaftspolizisten sie sofort auf, die Zufahrt zu räumen, doch Haderlein konnte ihn schnell mithilfe des Dienstausweises über seinen Status aufklären und befragte ihn auch gleich zum Verbleib von Nikolai.
Überraschenderweise sagte dem Polizisten das Phantombild überhaupt nichts. Seinen Angaben nach waren an diesem Abend viele Menschen unterwegs gewesen, doch ohne Ausweiskontrolle wurde hier niemand durchgelassen.
»Gibt es sonst noch Eingänge?«, fragte Lagerfeld.
Der Beamte schüttelte den Kopf. »Nein, nicht mehr. Entweder sind sie zugemauert oder verschlossen. Höchstens noch den dort links unten. Das ist der Zugang zur Petrefaktensammlung, aber die hat zu, weil da gerade renoviert wird. Wer ins Kloster will, muss entweder hier durch oder mit Sturmleitern über die Außenmauer klettern.«
Haderlein überlegte fieberhaft.
»Es bleiben ihm zwei Möglichkeiten: Er hat sich in irgendeiner Verkleidung und mit gefälschtem Ausweis durchgeschlichen, oder er hat einen anderen Weg gefunden, hier reinzukommen«, vermutete Driesel.
»Ja, oder jemand hat ihm aufgemacht«, ergänzte Haderlein. Es wurde Zeit, zu handeln, bevor Nikolai ihnen erneut entwischen konnte. »Hannes, Bernd. Ihr beiden seht zu, dass ihr den Land Rover von diesem Kerl findet. Ich werde Banz absperren lassen, damit niemand mehr hier rauskommt.«
Ungläubig strich sich Driesel durch seinen Bart. »Du willst die ganze Belegschaft einsperren lassen? Aber die komplette Staatsregierung ist hier versammelt, einschließlich bayerischem Ministerpräsidenten«, sagte er verblüfft.
Haderlein nickte grimmig. »Hannes, ich glaube, du ahnst nicht, wie egal mir das im Moment ist. Irgendwo hier drin ist ein professioneller Serienkiller
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