Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
und drehte das Mikro von sich weg. Dann zischte er sie an: »Ich hoffe wirklich, du hast einen guten Grund, mich hier zu unterbrechen, Gabi.«
»Ja, den hab ich allerdings«, flüsterte sie zurück.
Die weitere Unterhaltung stellte sich für die versammelte CSU -Fraktion so dar, dass der Umweltminister die Botschaft seiner Staatssekretärin wortlos zur Kenntnis nahm und anschließend ohne äußerliche Regung bekannt gab, dass er seine Rede leider erneut vertagen müsse. Es sei etwas Persönliches geschehen, das keinen Aufschub dulde. Er bat nochmals um Entschuldigung und verließ so gemessen wie möglich den Raum. Gabi Haier folgte ihm eilig. Nur ein wirklich enger Vertrauter hätte bemerkt, dass in Umweltminister Schleycher ein Chaos wütete.
*
Als Kommissar Haderlein am Tatort in Kemmern eintraf, hatte die Bamberger Landpolizei bereits alles aufgeboten, was ihr zur Verfügung stand. Die Einstiegsstelle der Bootsfahrer war weit um die Kemmerner Brücke herum abgesperrt, und die Beamten hatten bereits mit etlichen Schaulustigen zu kämpfen, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollten. Auch sein »Lieblingsreporter« von der lokalen Presse war natürlich schon anwesend und schoss ganze Bilderserien vom Tatort, so er ihn einsehen konnte. Unten an der Brücke durchkämmten die Herren der Spurensicherung das Gelände, und auf dem Main patrouillierte ein Boot der Wasserwacht. Aber wo zum Teufel blieb Lagerfeld? Er war doch vor ihm losgefahren.
Haderlein parkte seinen Fiat auf einer Wiese am nahe gelegenen Sportgelände und befahl Riemenschneider, ruhig auf der Rückbank sitzen zu bleiben. Das Ferkel ergab sich sang- und klanglos seinem Schicksal, und der Kommissar schritt den Abhang zum Pegelpfeiler hinunter. Dabei entdeckte er auch Lagerfeld, der mit einer Flasche Sekt und ein paar Gläsern in der Hand recht lässig am Brückensockel lehnte. Der Kriminalhauptkommissar schüttelte verständnislos den Kopf. Zwei Meter weiter sah er eine männliche Leiche, die mit dem Kopf im Wasser hängend am Pegelpfahl festgebunden war. Er wühlte sich durch die kontinuierlich anwachsende Menschenmenge und näherte sich seinem Kollegen. Als Lagerfeld ihn erblickte, kam er strahlend mit der Sektflasche und den Gläsern auf ihn zu.
»Was soll das denn werden, Lagerfeld?«, erkundigte sich Haderlein schroff. »Ist das hier die versteckte Kamera oder so was Ähnliches? Wenn ja, werde ich Sie gleich neben dieser Attrappe da im Main versenken. Lagerfeld?«
Doch der junge Kommissar ließ sich nicht beirren und strahlte weiterhin ausgesprochen gute Laune aus. »Kaa Sorche, Chef, die Leiche is echt. Und zwar Ihre fünfzigste. Herzlichen Glückwunsch, Chef. Des is a runda Sach. Ich hab mer gedachd, da könnerd ich mit Ihnen amal a weng anstoßen. Wechen dem Jubiläum.« Und mit der Erklärung ließ er den bereits vorsorglich gelockerten Korken mit lautem Knall in den Main fliegen. Das Publikum fuhr erschrocken auf, der Sekt quoll über, und Lagerfeld begann eifrig, die Gläser zu füllen.
Die Augen von Kommissar Haderlein bohrten sich wie glühende Lanzen in die seines untergebenen Kollegen. »Lagerfeld, hören Sie sofort mit dem Blödsinn auf!«, herrschte er ihn an. »Wenn Sie dieses absonderliche Fest schon unbedingt mit mir feiern möchten, dann nicht in aller Öffentlichkeit. Haben Sie mich verstanden?« Nebenan wurden von der Presse bereits die ersten Fotos des Sektempfanges geschossen.
»Wie Sie wolln, Chef. Ich hab’s ja bloß gud gemaant«, maulte Lagerfeld und verkroch sich beleidigt mit der Flasche zur Spusi unter die Brücke, doch auch die Spurensicherer lehnten dankend seinen Sekt ab. Frustriert rauchte er erst mal eine Zigarette. Sollten diese Miesepeter doch sehen, wie sie ohne ihn klarkämen.
Der Hauptkommissar begab sich zum Pegelpfeiler. Sein Kollege trieb ihn noch in den Wahnsinn. Bei dem Gedanken, dass Lagerfeld irgendwann seinen Job bei der Bamberger Dienstelle übernehmen würde, schauderte es ihn manchmal. Eigentlich hieß der junge Kommissar gar nicht so, sondern hatte einen ganz banalen Namen: Bernd Schmitt. Aber weil er seine dünnen Haare hinten zu einem idiotischen Zopf zusammenzubinden und vorne eine dicke, dunkle Sonnenbrille zu tragen pflegte, wurde er schon immer wie der große Modeschöpfer genannt. Haderlein fand die Erscheinung absolut lächerlich, aber sein Kollege stand drauf. Das Outfit hatte sogar schon eine Dienstaufsichtsbeschwerde nach sich gezogen – allerdings ohne Konsequenz. Weder
Weitere Kostenlose Bücher