Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
und munterer Säugling, der bereits das halbe Bamberger Klinikum zusammengeschrien hatte. Fidibus war sehr erleichtert, die Geburt erfolgreich hinter sich gebracht zu haben. Das Versprechen, seiner Frau beizustehen, hatte ihn so manche schlaflose Nacht gekostet. Auch wenn es so schlimm letztendlich gar nicht gewesen war, war er trotzdem froh, um eine echte Geburt mit Blut, Geschrei und Pressen herumgekommen zu sein. Außerdem war der Kaiserschnitt so wunderbar schnell gegangen. Gott sei Dank. Jetzt schliefen das Baby und seine Frau. Ein außerordentlich entspannender Zustand. Seine Geburtsarbeit war erledigt.
Er entschied sich, die Ruhe zu nutzen, um auf der Dienststelle vorbeizuschauen. Schließlich wollte er wissen, wie die Pressekonferenz ohne ihn verlaufen war. Er bezweifelte, dass Haderlein ohne seine, Robert Suckfülls, fachjuristische Anwesenheit alles sauber über die Bühne gebracht hatte. Hoffentlich war überhaupt noch jemand da. Es war schon einundzwanzig Uhr am Montagabend, und der August neigte sich dem Ende zu. Ganz Bamberg bereitete sich auf die Sandkerwa vor, auf das größte Straßenfest Bayerns in der Sandstraße. Er vermutete, dass auf der Dienststelle die übliche Bierruhe eingekehrt war und seine Kommissare bereits auf den Kellern saßen. Als er zur Dienststelle einbog, trat er vor Überraschung auf die Bremse.
Der Parkplatz, der normalerweise an die dreißig Dienstfahrzeuge beherbergte und in der Regel den Charme einer A-380-Landepiste versprühte, war voller Menschen. Die Autos kamen aus allen Bundesländern, private Fernsehsender bauten Scheinwerfer und Kameras auf, und Zeitungsreporter tippten bereits fleißig irgendwelche Berichte in ihre mit Satelliten verbundenen Laptops.
Suckfüll legte den Rückwärtsgang ein, parkte sein Fahrzeug auf der Straße und versuchte dann, durch die Menschentraube am Eingang in sein Büro zu gelangen. Der Versuch artete in eine mittelschwere Nahkampfübung aus. Ständig wurde er von Pressevertretern, Kameraleuten oder sonstigen lärmenden Menschen aller Couleur zurückgedrängt.
Endlich an der Eingangstür angekommen presste ihn die Meute hinter ihm so stark mit dem Gesicht an die Scheibe, dass der Polizeibeamte, der von innen die Tür bewachte, ihn erst gar nicht erkannte und sein verzweifeltes Klopfen dementsprechend ignorierte. Als Fidibus endlich Einlass gewährt wurde, war er außer sich. Was war während nur weniger Stunden mit seiner Polizeiinspektion Bamberg passiert? Ohne auf die Erklärungen des Polizeibeamten zu warten, stürmte er die Treppe hinauf, als ob er Geiseln zu befreien hatte, und öffnete die Bürotür.
»Was zum Teufel ist da unten los, Frau Hoffmann?«, rief er in heller Erregung in den Raum. Dann hielt er inne.
Von wegen Notbesetzung. Die komplette Mannschaft war versammelt und schaute ihn entgeistert an.
»Also? Was ist hier los?«, wiederholte er fordernd.
Haderlein überreichte ihm einen kleinen Stapel Fotos. Waren das nicht tote Menschen, die er da auf den Bildern erblickte? Aber das waren doch andere Leichen als die, die er vom aktuellen Fall schon kannte.
»Am besten, wir gehen in Ihr Büro«, riet Haderlein ihm in drängendem Ton. »Wie Sie sehen, hat sich die Lage verschärft.«
»Sind das neue Tote?«, fragte ihn Fidibus, während er an seinem Schreibtisch argwöhnisch die Fotografien vom toten Graetzke und seiner Frau Beate betrachtete.
»Allerdings«, antwortete Lagerfeld, der soeben ebenfalls das Büro betreten hatte. »Der Mann ist Hubertus Graetzke, den wir heute morgen zur Fahndung ausgeschrieben hatten. Heute Nachmittag wurden er und sein Hund tot in jeweils einem Sack gefunden.«
»Ist der wohl auch ertrunken, äh, worden?«, erkundigte sich Suckfüll.
»Können wir noch nicht genau sagen«, mischte sich nun auch Haderlein wieder ins Gespräch ein.
»Und was ist mit dieser fetten Frau hier?«, entfuhr es dem ungeduldigen Juristen, Dienststellenleiter und frischgebackenen Vater.
»Frau Graetzke habe ich heute Nachmittag tot von der Decke hängend in ihrem Haus bei Coburg gefunden. Die Symptome deuten auf Strangulation als Todesursache hin«, erfuhr er von Lagerfeld.
Fidibus schaute von einem Foto zum anderen, dann legte er sie beiseite und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger gequält die Nasenwurzel.
»Meinen Sie, diese beiden armen Menschen wurden umgebracht, oder ziehen Sie eher einen Suizid in Betracht, meine Herren?«
»Aber Chef, kein Mensch näht sich in einen Sack ein, um sich dann darin zu
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