Das Alabastergrab
kein
Kirchgänger. Noch nie gewesen.
Als der Ermittler die Klinke greifen wollte, kam ihm Cesar
Huppendorfer auf der anderen Seite zuvor und stolzierte mit seinem Laptop unter
dem Arm zur Tür herein.
»Na, Huppendorfer, schöne Bildchen erstellt?«, erkundigte er sich.
»Ja, ging ganz gut. Die Bilder waren eigentlich ganz schnell
fertig.«
Schnell? Haderlein schaute auf die Uhr. Huppendorfer war fünf
Stunden weg gewesen. War denn unter allen seinen Mitarbeitern heute die
Faulenzia ausgebrochen? Doch der Kollege lieferte gleich eine Erklärung.
»Außerdem hab ich Frau Rast noch geholfen, ihre Blumentöpfe rüber in
Ihre Wohnung zu tragen, Chef.«
»Blumentöpfe?«, fragte Haderlein misstrauisch. »Was denn für
Blumentöpfe?«
Huppendorfer stellte seinen Laptop ab.
»He, ich rede mit Ihnen!«, fuhr ihn Haderlein in seiner Verwirrung
an.
»Na ja, eben die Blumentöpfe aus der zerstörten Wohnung von Frau
Rast«, rechtfertigte sich Huppendorfer. »Die Pflanzen müssen ja gegossen
werden, und es wäre doch Quatsch, nur deswegen dauernd hin und her zu laufen,
oder? Da hat Manuela schon recht.«
»Manuela?«, echote Haderlein undefinierbar.
»Und dann hat sie auch noch Mittagessen gekocht für mich und die von
der Streife, die ich als Personenschutz abgestellt habe«, fuhr Huppendorfer
ungerührt fort.
Haderlein brachte nur ein ungläubiges »Aha« hervor, was Huppendorfer
zu weiteren Ausführungen zu ermuntern schien.
»Und wir drei Männer haben ihr dann schließlich noch bei den Möbeln
geholfen, die sie umgestellt haben wollte. War ein echtes Stück Arbeit, Chef,
und Ihre Wohnung sieht jetzt tatsächlich viel sch…« Weiter kam Cesar
Huppendorfer nicht, weil sein Vorgesetzter wortlos und mit ängstlichem Blick
zur Tür hinausmarschierte und in großer Eile das Haus verließ.
Der Computerexperte zuckte mit den Achseln und begab sich zu seinem
Schreibtisch, um die Phantombilder der Russen auszudrucken.
*
Franken ist Bierland. Diesem Umstand verdanken unzählige Brauereien
Frankens ihre Existenz. Von den ungefähr sechshundert in Deutschland sind über
dreihundert im fränkischen Dreieck Bamberg, Kulmbach, Bayreuth angesiedelt.
Überregional wurde in der Historie vor allem Kulmbach durch seine großen
Brauereien bekannt und wohlhabend. Die anderen Betriebe waren und sind eher
klein oder mittelständisch. Tag für Tag fahren sie ihre Produkte von Gasthof zu
Gasthof, um damit ihre Existenz zu sichern. In den letzten Jahren gab es zum
Glück den Trend, dass selbst große Getränkemärkte wieder häufiger kleine,
lokale Biere anboten, was der fränkische Kunde äußerst dankbar annahm. So also
verhielt sich die fränkische Brauereilandschaft, sodass es bisher für den
Nachwuchs einer Brauereifamilie nicht die dümmste Entscheidung war, sich in der
Berufswahl für die Fortführung des elterlichen Betriebs zu entscheiden.
Diese Gedanken an eine gesicherte Zukunft mochten auch Pankraz
Peulendorfer gekommen sein, als er trotz des absolvierten Architekturstudiums
die Braustätte seines Vaters übernahm. Die kleine Brauerei am Fuße der
Plassenburg war in gewinnreiches Fahrwasser geraten, als Peulendorfer dem Ruf
seiner Familie gefolgt war und die Brauerei zu dem gemacht hatte, was sie heute
war. Eine kleine, aber feine Biermanufaktur mit einem sehr guten Namen in
Fachkreisen.
Regelrecht berühmt war das Bockbier mit dem anzüglichen Namen
Deflorator. Das Gebräu mit sechzehn Prozent Alkohol und beinahe
feststoffartiger Viskosität wurde der Familie Peulendorfer im Frühjahr schon
fast aus den Händen gerissen, bevor sie den Krug gefüllt hatten. Der
Bockbier-Anstich in der Kommunbräu in Kulmbach löste alljährlich völkerwanderungsartige
Menschenbewegungen aus, sodass in der Gaststube und dem kleinen Biergarten
Belagerungszustand angesagt war. Die Peulendorfers hatten dann alle Hände voll
zu tun. Was für andere Gewerbe dieser Welt das Weihnachtsgeschäft ist, war für
sie inzwischen das Deflorator.
Jetzt im August war es zwar auch nicht wirklich leer, aber viele der
Gäste verteilten sich bei schönem Wetter lieber auf die Biergärten und Keller
im fränkischen Land. Das war nicht schlimm, sondern ganz normal. Auch Pankraz
Peulendorfer suchte gerne ab und zu eine andere Brauerei oder einen anderen
Biergarten auf, um sich selbst etwas zu gönnen. Als fränkischer Brauer und Wirt
stand man über dem kleinkarierten Konkurrenzdenken und freute sich im Gegenteil
über die mehr als reichliche
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