Das Alabastergrab
»Hannes, ich glaube, du ahnst nicht, wie
egal mir das im Moment ist. Irgendwo hier drin ist ein professioneller
Serienkiller unterwegs, der von einem Mitglied dieses hohen Hauses gedungen
worden ist. Ich werde diesen Mann und seinen Auftraggeber heute nicht mehr
entkommen lassen. Außerdem werde ich niemanden einsperren, sondern die
Herrschaften höflichst bitten, sich nicht fortzubewegen. Besser?«
Driesel nickte nun doch zustimmend und ging mit Lagerfeld über die
Straße zu den Parkplätzen des Banzbergs hinüber.
Kriminalhauptkommissar Haderlein griff sich erneut sein Handy und
gab kurze und knappe Anweisungen durch. Mit den Beamten der Polizei im Kloster
kam er überein, vorerst niemanden mehr rauszulassen. Außerdem klärte er sie im
Groben über die Sachlage sowie über Nikolai auf und machte sie mit der Gefahr
vertraut, die ihnen von diesem Mann drohen konnte.
Als er exakt zwölf Minuten später die Nachricht von Lagerfeld
erhielt, dass er den Land Rover gefunden und sichergestellt hatte, trafen im
gleichen Moment die Fahrzeuge der angeforderten Bereitschaftspolizei ein. Die
Streifenwagen mit Blaulicht, aber ohne Sirenenlärm, wurden im großen Halbkreis
um das Kloster postiert, womit sämtliche Zufahrtswege abgesperrt waren. Die
Mauern von Kloster Banz leuchteten blau im Licht der Einsatzfahrzeuge.
Suckfüll kam mit dem Einsatzleiter der Bepo und Staatsanwalt
Edelmann auf Haderlein zu. »Ich hoffe doch sehr für Sie, dass Sie wissen, was
Sie tun«, sagte der Staatsanwalt ohne Begrüßungsfloskel. Dann schüttelte er
Haderlein doch noch die Hand.
»Das weiß ich allerdings«, erwiderte der Hauptkommissar
entschlossen. »Ich möchte keine Fehler mehr machen. Ich bin jetzt lange genug
verarscht worden. Sind die Hundeführer schon da?« Er wandte sich an den
Einsatzleiter.
»Wir haben nur einen dabei. Da drüben kommt er gerade«, entgegnete
der und deutete auf einen Mann, der mit einem Deutschen Schäferhund die Straße
überquerte.
»Okay«, wies Haderlein den Hundeführer an. »Drüben am hinteren Ende
des Parkplatzes steht ein schwarzer Land Rover Freelander. Zwei Beamte sind
schon dort und werden Sie einweisen. Lassen Sie den Hund Witterung aufnehmen.
Wir warten dann hier auf Sie.« Der Hundeführer trabte mit seinem Vierbeiner
davon, und Haderlein nahm seinen Chef wieder ins Visier.
»Vielleicht wäre es besser, wenn Sie unseren Herrn Innenminister
bitten würden, kurz zu uns zu kommen, damit er nicht aus allen Wolken fällt.
Ich denke, wir sollten ihn in die Sache einweihen«, schlug Haderlein vor.
Fidibus nickte ergeben, holte sein Handy aus der Tasche und wählte
eine eingespeicherte Nummer. Nachdem er eindringlich mit jemandem gesprochen
hatte, legte er auf. »Der Herr Innenminister kommt umgehend heraus. Er klang
sehr überrascht und erwartet eine hieb- und stichfeste Darlegung der Situation.
Sonst könnte das für uns alle in einem ziemlichen Desaster enden. Ich hoffe,
Sie haben mich verstanden, Haderlein!«
Der Ermittler nickte beeindruckt. Er hatte seinen sonst so zerstreut
wirkenden Chef noch nie so abgeklärt und bestimmt erlebt.
Einen Augenblick später öffnete sich auch schon der Haupteingang
oberhalb der großen Freitreppe des Klosters, und der bayerische Innenminister
Erlmayer kam ihnen mit einem seiner Staatssekretäre entgegen. Offensichtlich
war auf Banz gerade irgendeine Festivität im Gange, denn der Herr Minister trug
feinen Zwirn und hatte um seinen weißen Hemdkragen die für ihn so typische
Fliege gebunden.
Er schüttelte Suckfüll, dem Staatsanwalt und dann auch Haderlein die
Hand, als dieser ihm vorgestellt worden war.
Plötzlich war von der gegenüberliegenden Straßenseite Hundegebell zu
hören, dann konnte man den Hundeführer mit Driesel und Lagerfeld im Schlepptau
sehen, wie sie im Eiltempo versuchten, dem Hund zu folgen. Alle verfolgten
gebannt, wie das Tier zielstrebig mit der Nase am Boden die Straße überquerte
und sich am großen Torbogen der Klostereinfahrt rechts hielt. Ohne zu zögern,
ging es um eine Gebüschreihe herum bis zur Eingangstür der Petrefaktensammlung.
Dort kratzte es an der Tür und bellte heftig. Der Einsatzleiter der Bereitschaftspolizei
bedeutete dem Hundeführer, den wild anschlagenden Vierbeiner von der Tür zu
entfernen, und postierte seine Beamten mit ihrer Spezialausrüstung. Fragend
blickte er zu Haderlein, der nickte.
Nikolai schaffte es noch, die Waffe zu ziehen, bevor ihn ein
brutaler Schlag auf die Hand traf. In hohem Bogen
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