Das Alabastergrab
jetzt Schnitzeljagd, oder was?«, äußerte sich Lagerfeld von
der Rückbank. Auch er hatte von der misslungenen Aktion die Nase voll. Bei der
Sitte war er nie mit einer Waffe bedroht worden, und Todesangst war für ihn bis
dato auch nur eine Erfahrung vom Hörensagen gewesen. Ein Erfolgserlebnis täte
gerade echt nicht schlecht.
»Dieser Pfeil auf dem
Bildschirm ist das Fahrzeug von Nikolai Dassajew. Während ihr euch da drin mit
Literatursuche vergnügt habt, habe ich euren Verfolger verfolgt.«
Haderlein schaute Driesel
mit grenzenloser Verblüffung an. »Aber woher wusstest du, dass …«
»Das wusste ich nicht, das
habe ich vermutet. Schließlich mache ich den Job schon seit ein paar Jahren und
nicht ohne gewisse Erfolge. Man muss immer ein Stück abgebrühter sein als sein
Gegenüber. Und als Nikolai in der Kirche verschwand, habe ich mein Auto drüben
bei der italienischen Gaststätte geparkt und eine GPS -Senderfolie auf das Dach seines Land Rovers geklebt. Ich
war gerade damit fertig, als die Tür aufging und er schon wieder herauskam. War
ganz schön knapp. Den Rest kennt ihr ja.«
»Ich will ja nicht unhöflich
erscheinen, aber dürfte man erfahren, wo der Typ gerade hinfährt?«, erkundigte
sich Lagerfeld jetzt schon deutlich besser gelaunt.
Driesel beugte sich näher
zum Display. »Nun, ich würde sagen, er ist jetzt auf der Autobahn und fährt
nach Norden in Richtung Staffelstein.«
Haderlein nickte. »Na schön,
Nikolai, ich glaube, ich weiß, wo du hinwillst. Zu deinem Herrn und Meister, um
deine Silberlinge abzuholen, stimmt’s? Aber da werden wir dir jetzt etwas Salz
in deine Suppe streuen müssen.«
Lagerfeld klopfte seinem
älteren Vorgesetzten von hinten auf die Schulter. »Nach Norden kann ja von hier
bis nach Oslo bedeuten. Wo fährt unser Verbrecher denn deiner Meinung nach hin,
wenn ich fragen darf?«
Haderlein schnallte sich an.
»Na dahin, wo wir jetzt auch hinfahren. Nach Kloster Banz. Wir werden unserem
Umweltminister einen kleinen Besuch abstatten.«
Noch bevor sie die
Stadtgrenze von Bamberg erreicht hatten, zeigte das Spezialdisplay des
Navigationssystems an, dass Haderlein recht gehabt hatte. Mit unglaublicher
Geschwindigkeit raste der Pfeil die Autobahn entlang und bog bei Staffelstein
ab, fuhr nördlich am Kurpark vorbei, um dann in Unnersdorf rechts abzubiegen
und den Banzberg hinaufzufahren. Auf dem Klosterparkplatz, der sich auf der
anderen Straßenseite befand, blieb er stehen und rührte sich keinen Millimeter mehr
vom Fleck. Nikolai hatte seinen Wagen abgestellt.
Haderlein holte sofort sein
Handy heraus, während Driesel mit quietschenden Reifen die Auffahrt zur
Autobahn am Bamberger Hafen nahm.
»Hallo, Chef«, begrüßte er
seinen Dienststellenleiter. »Wir hatten das Buch gefunden, aber durch eine
unerwartete Begegnung mit unserem Russen ist es uns schon wieder
abhandengekommen. Wir verfolgen die Zielperson gerade per Peilsender und haben
das Fahrzeug auf dem Parkplatz von Kloster Banz lokalisiert. Chef, ich brauche alle
verfügbaren Kräfte der Bepo auf dem Parkplatz der Kurtherme in Bad
Staffelstein. Außerdem einen Hundeführer; wenn’s geht, zwei. Die sollen keinen
Krach machen und sich unauffällig verhalten. Ich möchte erst mal mit Lagerfeld
und Driesel diskret in Banz vorgehen, um Verwicklungen zu vermeiden. Auf jeden
Fall will ich einen vorläufigen Haftbefehl für den Umweltminister Kolonat
Schleycher. Aus der Aussage von Dr. Newman ergeben sich jetzt ausreichende
Verdachtsmomente. Haben Sie alles verstanden, Chef?«
Robert Suckfüll hatte
natürlich verstanden und sicherte Haderlein seine volle Unterstützung zu. Und
die war wichtig, denn einen bayerischen Minister verhaftete selbst Haderlein
nicht alle Tage. Als er aufgelegt hatte, konnte er die Autobahnausfahrt Staffelstein-Kurzentrum
auf sich zurasen sehen. Driesel war im Vergleich zu Nikolai nicht minder
schnell unterwegs.
*
Nikolai stellte seinen Land Rover auf dem hintersten und dunkelsten
Parkplatz ab, den das Areal zu bieten hatte. Er folgte der Beschreibung seines
Auftraggebers, überquerte die Straße und ließ den Banzer Biergarten links
liegen. Die bewaffneten Polizisten, die die Hauptzufahrt zum Kloster bewachten,
beäugte er zwar misstrauisch, ging aber selbstbewusst an ihnen vorbei zu dem
kleinen Nebeneingang unterhalb der Hauptzufahrt. An der Tür mit dem Schild
»Geschlossen wegen Renovierungsarbeiten« musste er lächeln. Ein wirklich
ausgesucht ungewöhnlicher Treffpunkt, den
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