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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Rede und drehte das Mikro von sich weg. Dann zischte er sie
an: »Ich hoffe wirklich, du hast einen guten Grund, mich hier zu unterbrechen,
Gabi.«
    »Ja, den hab ich allerdings«, flüsterte sie zurück.
    Die weitere Unterhaltung stellte sich für die versammelte CSU -Fraktion so dar, dass der
Umweltminister die Botschaft seiner Staatssekretärin wortlos zur Kenntnis nahm
und anschließend ohne äußerliche Regung bekannt gab, dass er seine Rede leider
erneut vertagen müsse. Es sei etwas Persönliches geschehen, das keinen Aufschub
dulde. Er bat nochmals um Entschuldigung und verließ so gemessen wie möglich
den Raum. Gabi Haier folgte ihm eilig. Nur ein wirklich enger Vertrauter hätte
bemerkt, dass in Umweltminister Schleycher ein Chaos wütete.
    *
    Als Kommissar Haderlein am Tatort in Kemmern eintraf, hatte die
Bamberger Landpolizei bereits alles aufgeboten, was ihr zur Verfügung stand.
Die Einstiegsstelle der Bootsfahrer war weit um die Kemmerner Brücke herum
abgesperrt, und die Beamten hatten bereits mit etlichen Schaulustigen zu
kämpfen, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollten. Auch sein
»Lieblingsreporter« von der lokalen Presse war natürlich schon anwesend und
schoss ganze Bilderserien vom Tatort, so er ihn einsehen konnte. Unten an der
Brücke durchkämmten die Herren der Spurensicherung das Gelände, und auf dem
Main patrouillierte ein Boot der Wasserwacht. Aber wo zum Teufel blieb
Lagerfeld? Er war doch vor ihm losgefahren.
    Haderlein parkte seinen Fiat auf einer Wiese am nahe gelegenen
Sportgelände und befahl Riemenschneider, ruhig auf der Rückbank sitzen zu
bleiben. Das Ferkel ergab sich sang- und klanglos seinem Schicksal, und der
Kommissar schritt den Abhang zum Pegelpfeiler hinunter. Dabei entdeckte er auch
Lagerfeld, der mit einer Flasche Sekt und ein paar Gläsern in der Hand recht
lässig am Brückensockel lehnte. Der Kriminalhauptkommissar schüttelte
verständnislos den Kopf. Zwei Meter weiter sah er eine männliche Leiche, die
mit dem Kopf im Wasser hängend am Pegelpfahl festgebunden war. Er wühlte sich
durch die kontinuierlich anwachsende Menschenmenge und näherte sich seinem
Kollegen. Als Lagerfeld ihn erblickte, kam er strahlend mit der Sektflasche und
den Gläsern auf ihn zu.
    »Was soll das denn werden, Lagerfeld?«, erkundigte sich Haderlein
schroff. »Ist das hier die versteckte Kamera oder so was Ähnliches? Wenn ja,
werde ich Sie gleich neben dieser Attrappe da im Main versenken. Lagerfeld?«
    Doch der junge Kommissar ließ sich nicht beirren und strahlte
weiterhin ausgesprochen gute Laune aus. »Kaa Sorche, Chef, die Leiche is echt.
Und zwar Ihre fünfzigste. Herzlichen Glückwunsch, Chef. Des is a runda Sach.
Ich hab mer gedachd, da könnerd ich mit Ihnen amal a weng anstoßen. Wechen dem
Jubiläum.« Und mit der Erklärung ließ er den bereits vorsorglich gelockerten
Korken mit lautem Knall in den Main fliegen. Das Publikum fuhr erschrocken auf,
der Sekt quoll über, und Lagerfeld begann eifrig, die Gläser zu füllen.
    Die Augen von Kommissar Haderlein bohrten sich wie glühende Lanzen
in die seines untergebenen Kollegen. »Lagerfeld, hören Sie sofort mit dem
Blödsinn auf!«, herrschte er ihn an. »Wenn Sie dieses absonderliche Fest schon
unbedingt mit mir feiern möchten, dann nicht in aller Öffentlichkeit. Haben Sie
mich verstanden?« Nebenan wurden von der Presse bereits die ersten Fotos des
Sektempfanges geschossen.
    »Wie Sie wolln, Chef. Ich hab’s ja bloß gud gemaant«, maulte
Lagerfeld und verkroch sich beleidigt mit der Flasche zur Spusi unter die
Brücke, doch auch die Spurensicherer lehnten dankend seinen Sekt ab. Frustriert
rauchte er erst mal eine Zigarette. Sollten diese Miesepeter doch sehen, wie
sie ohne ihn klarkämen.
    Der Hauptkommissar begab sich zum Pegelpfeiler. Sein Kollege trieb
ihn noch in den Wahnsinn. Bei dem Gedanken, dass Lagerfeld irgendwann seinen
Job bei der Bamberger Dienstelle übernehmen würde, schauderte es ihn manchmal.
Eigentlich hieß der junge Kommissar gar nicht so, sondern hatte einen ganz
banalen Namen: Bernd Schmitt. Aber weil er seine dünnen Haare hinten zu einem
idiotischen Zopf zusammenzubinden und vorne eine dicke, dunkle Sonnenbrille zu
tragen pflegte, wurde er schon immer wie der große Modeschöpfer genannt.
Haderlein fand die Erscheinung absolut lächerlich, aber sein Kollege stand
drauf. Das Outfit hatte sogar schon eine Dienstaufsichtsbeschwerde nach sich
gezogen – allerdings ohne Konsequenz.

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