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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Diskussionen, und letztendlich
meinte er es ja auch nicht so.
    Der Spurensicherer zog also ein Mal kräftig an dem Stiefel, dem ein
unangenehmer Geruch nach Buttersäure entwich, und befreite ihn von dem Fuß.
Kommissar Haderlein kümmerte der Gestank indes wenig. Er griff nach dem Schuh,
suchte sich einen Angriffspunkt für seine Finger und versuchte, den
Klettverschluss aufzuhebeln. Nachdem sich eine Ladung Mainwasser über seine
unteren Extremitäten ergossen hatte, bekam er das Ende der Lasche schließlich
zu fassen. Ein kurzer Ruck, der Stiefel entglitt seinen rutschigen Fingern, und
der Inhalt der geheimen Tasche kullerte auf den Kies vor seine Füße.
    »Ham Sie was gefunden, Chef?«, rief Lagerfeld freudig erregt und
näherte sich joggend. Vielleicht ergaben sich mit dem Fund ja neue
Erkenntnisse, und er kam doch noch um die Strafautopsie herum?
    Haderlein hob sich bückend zwei Teile vom Boden auf. »Lagerfeld, das
werden Sie nicht glauben. Das ist ja wie im Fernsehen!«
    In der rechten Hand des Kommissars lag ein Handy, in der linken ein
kleines grünes Notizbuch.
    *
    http://www.rast-los.com
    User-ID: xxxx User
online: 7
    Glühwurm: Nachricht an alle.
    Die Adresse auf diesem Server wird in einer Stunde gelöscht. Im
Anhang meiner Mail werdet ihr ein Schredderprogramm finden. Damit werdet ihr
alles auf eurem Computer eliminieren, was auch nur im Entferntesten mit der
Angelegenheit zu tun hat. Das Gleiche gilt für schriftliche Aufzeichnungen
aller Art. Danach werdet ihr euch ruhig verhalten und genauso weiterleben wie
bisher. Dann wird auch niemandem was am Zeug geflickt. Was passiert ist, ist
passiert und nicht mehr rückgängig zu machen. Bleibt einfach ruhig. Besonders
du, Peter 69.
    Dies ist meine letzte Meldung.
    Ende der Durchsage.
    *
    Umweltminister Schleycher zerrte seine Staatssekretärin in den
nächstbesten Besprechungsraum und drückte sie auf einen Stuhl. »Und? Was machen
wir jetzt?« Mit seinem hilfesuchenden Blick ähnelte er stark einem kleinen Bär,
dem die Mama weggenommen worden war.
    »Erst mal gar nichts«, entgegnete sie. Im Gegensatz zum Minister
wirkte sie erstaunlich cool.
    »Was?«, entgegnete er völlig entsetzt. »Die Polizei wird doch
Nachforschungen anstellen und ganz schnell herausfinden, dass …«
    »Ganz ruhig. Die Polizei wird gar nichts herausfinden. Es gibt keine
Verbindung. Wie denn auch?«
    »Aber wie kannst du dir da nur so sicher sein?«, herrschte er sie
nervös an und drückte seine Fingerkuppen gegeneinander. Mittlerweile hatten sie
eine schneeweiße Farbe angenommen, und auf seiner Stirn glitzerten
Schweißperlen.
    »Lass mich nur machen. Du solltest am besten die Fraktion
vertrösten. Das kannst du doch gut«, versuchte sie ihn zu beruhigen. »Aber ganz
ehrlich: Ich persönlich sehe jetzt keinen Grund mehr, die Rede in ihrer
jetzigen Form noch zu halten – wenn Sie verstehen, was ich meine, Herr
Minister.« Sie zwinkerte ihm vielsagend zu.
    Es dauerte einen Moment, bis Kolonat Schleycher begriff. Natürlich,
damit wäre ja alles in bester Ordnung. Daran hatte er noch gar nicht gedacht.
Er vergegenwärtigte sich die positiven Seiten der Entwicklung, und schlagartig
machte sich Erleichterung in ihm breit. Er musste seine Rede nicht mehr halten.
Mit den Geschehnissen war die Kuh vom Eis. Er seufzte erleichtert, sammelte
sich und war binnen Sekunden wieder der kühle besonnene Umweltminister
Schleycher. Aber was sollte er nur seiner Fraktion erzählen? Jetzt, da er
epochale Umwälzungen angekündigt hatte? Seine Stirn legte sich in Falten.
    »Jetzt mach dir mal keine Sorgen.« Gabriele Haier hatte seine
Gedanken erraten. »Ich bin mir ganz sicher, dass sich über Nacht ein neues
Thema für eine neue Rede finden wird. Ich kümmere mich drum. Es wird eh nicht
mehr viel passieren, solange die Bundeskanzlerin noch da ist.«
    Auch das hatte er verdrängt. Schleycher schaute die Staatssekretärin
an, die sich ihm entgegenbeugte – allerdings ein ganzes Stück tiefer. Gabriele
Haier war nur eins vierundfünfzig groß, aber was würde er ohne sie nur machen?
Jetzt wusste er, was er zu tun hatte. Wohlüberlegt nahm er sie in den Arm. Die
Geste war die beste Absicherung, um morgen früh eine wasserdichte Rede über was
auch immer auf dem Tisch zu haben. Da war er sich sicher. Zufrieden rückte er
seine Krawatte zurecht, setzte seine jovialste Miene auf, lächelte ihr schnell
zu und öffnete die Tür zum Sitzungssaal.
    *
    Die Krisensitzung im Reblitz, die bereits um acht

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