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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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aus, der die ganze Zeit über die Personalien aufgenommen
hatte.
    Bei Haderlein klingelte irgendwas. Den Namen hatte er doch heute
schon mal irgendwo gehört? Genau! »Joe Scheidmantel? Der Joe Scheidmantel, der
mit einem Anglerfreund eine tätliche Auseinandersetzung hatte?«, konfrontierte
der Hauptkommissar den Rabauken mit seinem Wissen.
    »Genau der«, rief Scheidmantel in einer Mischung aus Wut und Stolz.
»Und der hatte es auch verdient, der Drecksack!«
    »Aber Joe hat sich entschuldigt, und die Sache ist schon längst vom
Tisch«, warf Helmreich beschwichtigend ein.
    Haderlein erhob sich und blickte erneut in die Runde. »Und Herr
Scheidmantel war natürlich auch die ganze Nacht hier. Das kann sicherlich auch
jeder bezeugen?«, fragte er rhetorisch, während er Scheidmantel aus den
Augenwinkeln beobachtete. Doch zu seiner allergrößten Überraschung fiel das
Abstimmungsergebnis diesmal nicht wie erwartet aus. Erst erhoben sich ein paar
Hände, die dann wieder nach unten gingen, anschließend gab es Gemurmel und
gedämpfte Diskussionen.
    Verunsichert blickte Fritz Helmreich Joe Scheidmantel an. »Also, ich
kann auf jeden Fall bezeugen, dass der Joe seit heute früh um circa acht Uhr
hier ist.«
    »Um diese Zeit war Edwin Rast schon lange tot«, wandte Haderlein
ein. »Also, wo waren Sie die ganze Nacht, Herr Scheidmantel?«
    Der Angesprochene war kreidebleich geworden. »Na, daheim«, stotterte
er unsicher.
    »Soso, daheim«, echote Haderlein spöttisch. »Und was haben Sie
daheim die ganze Nacht gemacht?«
    »Na, nichts«, verteidigte sich Scheidmantel mit leiser Stimme.
Flehend blickte er Fritz Helmreich an, der sich aber nicht rührte.
    »Kann das Ihre Freundin bezeugen?«, legte Haderlein im gleichen
Verhörton in Richtung Doris Peter nach. Seine Augen hatten sich inzwischen zu
Schlitzen verengt. Im Raum war es mucksmäuschenstill geworden. Haderlein
durchbohrte Scheidmantels Freundin mit seinen Blicken, doch die machte keine
Anstalten, ihrem Freund ein Alibi zu verschaffen, sondern begann stattdessen
heftig zu weinen.
    »Ist schon gut, Doris«, tröstete sie Scheidmantel und legte seinen
mächtigen Arm um ihre schmalen Schultern.
    Helmreich schaute seinen Freund entgeistert an. »Joe, jetzt sag doch
was«, bat er ihn verzweifelt.
    Haderlein dagegen verfolgte lieber eine andere Strategie. »Das heißt
also, Herr Scheidmantel, Sie haben kein Alibi, und Sie haben ein Motiv. Sehe
ich das richtig?«
    »Aber ich war daheim, verdammt«, flüsterte er panisch.
    Haderlein wurde zornig. Mit beiden Händen stützte er sich auf die
Tischplatte, an der er sich eben noch so gut unterhalten hatte. Seine grauen
Augen funkelten Scheidmantel an. »Ich sag Ihnen mal was: Gestern Abend wurden
alle Boote hier weggeschwemmt, alle sind außer sich und diskutieren die ganze
Nacht hindurch, weil heute hier die größte Paddlerdemonstration aller Zeiten
stattgefunden hätte. Und da wollen Sie mir erzählen, Sie hätten sich daheim aufs
Bett gelegt und nichts gemacht? Sie wollen mir erzählen, das hätte Sie
überhaupt nicht interessiert? Ausgerechnet Sie, der wegen ein paar direkter
Worte gleich eine Schlägerei mit einem Angler anfängt? Für wie blöd halten Sie
mich eigentlich, Scheidmantel!«, fauchte er, holte tief Luft, blickte die
beiden Polizisten an und nickte ihnen zu. Dann straffte er seinen Rücken und
verkündete dem Riesen, der mit leerem Blick vor ihm stand: »Herr Scheidmantel,
Sie werden wohl mitkommen müssen. Ich nehme Sie wegen Verdacht auf Mord an
Edwin Rast vorläufig fest.« Dann wandte er sich Fritz Helmreich zu. »Ich
glaube, es ist an der Zeit, dass Sie Ihrem Freund einen guten Anwalt suchen.«
    Die Polizisten legten Scheidmantel flugs Handschellen an. Willenlos
ließ er alles mit sich geschehen, während Doris Peter neben Helmreich
ohnmächtig zusammenbrach.
    *
    Ein Handy klingelte laut und vernehmlich. Die Melodie kam eindeutig
aus der Hosentasche von Graetzke. Ohne noch länger auf Lagerfelds Waffe zu
achten, griff der Angler nach seinem Telefon und blökte in das Mikrofon, als
wollte er eine ganze Kompanie beschallen. »Was, wer ist dran? … Ach, du. Woher
weißt du denn, dass ich beim Angeln bin?«
    Das Gekläffe des Hundes hatte sich mittlerweile ins Infernalische
gesteigert. Lagerfeld war fassungslos: Mitsamt seiner Waffe wurde er einfach
ignoriert! Graetzke schien die Situation nicht im Mindesten Unbehagen zu
bereiten. Im Gegenteil, jetzt schlenderte er auch noch telefonierend auf
Lagerfeld zu,

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