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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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während er mit seinen Gummistiefeln eine Angelrute nach der
anderen umtrat.
    »Stehen bleiben, Graetzke! Und ich sage das nicht zum Spaß!«, drohte
ihm Lagerfeld, der jetzt wieder bis zum Stamm der Erle zurückgewichen war.
    »Was, heim? Jetzt schon? Ich bin doch grad mal sieben Stunden fort«,
plauderte Graetzke ungerührt weiter. »Was, reden? Schon wieder? Wir haben doch
erst im April … Nein, nicht schon wieder über Beziehung … Nein, ich habe einen
Angelschein … Aber das hast du doch schon vor unserer Ehe gewusst …« Er stand
nur noch einen knappen Meter von Lagerfeld entfernt. Der Hund schnappte nach
den Hosenbeinen des Kommissars, und als Graetzke seinen Kopf hob, schaute er
Lagerfeld lächelnd an.
    »Hubertus Graetzke, ich werde Sie jetzt festnehmen – und pfeifen Sie
Ihren Hund, oder was das auch immer darstellen soll, zurück!«, rief Lagerfeld,
jetzt zu allem entschlossen, und zielte auf die kläffende Fellwanze. Er war
kurz davor, abzudrücken.
    Plötzlich spürte er einen harten Schlag mit einem runden, stumpfen
Gegenstand. Er hörte noch, dass sich ein Schuss aus seiner Waffe löste, dann
wurde es dunkel.
    *
    Kommissar Haderlein schaute emotionslos zu, wie Joe Scheidmantel in
den Streifenwagen verfrachtet wurde. Kopfschüttelnd beobachtete er den
dickköpfigen Mann, der sich auf den Rücksitz quälte. Eigentlich war so eine
Lösung des Falles zu einfach. So ein Naivling passte außerdem auch gar nicht
zum Tathergang. Andererseits – es gab nichts, was es nicht gab. Nichts war in
seinem Beruf schädlicher als ein vorschnelles Urteil. Trotzdem hatte Haderlein
gelernt, in manchen Situationen auf sein Gefühl zu hören, und das sagte ihm
gerade, dass Joe Scheidmantel kein Mörder war, der Opfer an Pegelpfeiler
festband und dann ersaufen ließ. Jemanden im Affekt erschlagen, das schon eher.
Aber mit Vorsatz meucheln? Er seufzte erschöpft. Das Verhör würde bis morgen
warten müssen, für heute hatte er genug. Blieb also nur noch eins zu tun: Er
griff sich sein Handy, um Honeypenny die neueste Entwicklung mitzuteilen.
    »Ich mach dann mal Schluss für heute. Ist Lagerfeld schon da?«,
wollte er wissen.
    »Nein, noch nicht. Und angerufen hat er auch nicht mehr seit dem
Nachmittag«, stellte Honeypenny fest. »Soll ich ihn mal für Sie anklingeln?«
    »Nein, nicht nötig.« Er schaute auf seine Uhr. Es war kurz vor acht.
Er grinste. »Ich glaube, der Kollege Bernd Schmitt wird heute noch ein paar
Überstunden in der Pathologie schieben müssen. Stellen Sie mir bitte ein Bier
kalt und geben Sie Riemenschneider schon mal einen Schluck. Ich bin in circa
zwanzig Minuten da.« Nachdem er aufgelegt hatte, wählte er umgehend die
Kurzwahlnummer von Lagerfeld. Es klingelte mehrmals, bis sich endlich etwas
tat, aber nur die Mailbox ging an. Offensichtlich war sein junger Kollege bei
seinen Tagesaufgaben irgendwo stecken geblieben. Er verkniff es sich, einen
bösen Spruch auf dem Anrufbeantworter zu hinterlassen, schließlich würde
Lagerfeld heute noch genug zu leiden haben, schwang sich in seinen Fiat,
verließ Nedensdorf und fuhr dem wohlverdienten Feierabend entgegen.
    *
    Honeypenny hatte gerade den Hörer aufgelegt, als im gleichen Moment
die Tür aufging und ein völlig derangierter Fidibus sich ins Büro
zurückschleppte. Aller Augen folgten ihm gespannt. An Marina Hoffmanns
Schreibtisch blieb er stehen, zupfte seine Krawatte zurecht, stopfte sein Seidenhemd
in die Hose, räusperte sich und servierte ihr ein »Honeypenny, Sie hatten
recht, wie immer, Schwamm drüber« auf dem imaginären Tablett. Dann quälte er
sich ein schiefes Lächeln aufs Gesicht und drehte sich um, um mit schnellen
Schritten eiligst in seinem Glashaus unterzutauchen. Doch er schaffte es gerade
mal, ein Bein anzuheben, dann kippte er nach vorne wie eine frisch gefällte
deutsche Buche und fiel der Länge nach auf den Boden. Den Umständen
entsprechend überraschend schnell tauchte sein nun völlig zerzauster Kopf
wieder vor Honeypennys Schreibtisch auf. Auf der anderen Seite des
Schreibtisches sah man Riemenschneider ob der turbulenten Ereignisse
fluchtartig das Weite suchen. Verärgert quiekend verkroch sie sich unter den
Kopierer am anderen Ende des Raumes. Fidibus war moralisch auf Ground Zero
angelangt.
    »Frau Hoffmann, ich ziehe mich jetzt zurück«, verkündete er mit
bebender Stimme, während er sich wieder aufrichtete.
    Honeypenny empfand tiefes Mitleid mit ihrem Chef. Wenn er sie mit
ihrem richtigen Namen anredete, war

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