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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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bevor
er noch den Mund aufmachen konnte, nahm sie seinen Kopf in beide Hände und
drückte ihm einen langen Kuss auf die Backe.
    Völlig überrumpelt und ein
wenig hölzern stand der Hauptkommissar stumm in der Gegend herum, während ihm
eine leichte Röte ins Gesicht stieg.
    »Ja, äh … nun«, stotterte er
verlegen lächelnd. Sie nahm seine beiden Hände und führte ihn zum Küchentisch,
den Haderlein vor langer Zeit eigenhändig aus hellem Ahornholz gezimmert hatte.
    »Ich hab uns Kaffee gemacht,
ich hoffe, die Konsistenz entspricht Ihren Vorstellungen«, sagte sie fröhlich
und stellte ihm eine dampfende Tasse hin.
    »Danke. Aber wie geht es
Ihnen?«, erkundigte sich Haderlein jetzt ernst und nippte an seinem Kaffee.
Erfreut bemerkte er, dass die Konsistenz vollkommen seinen Vorstellungen
entsprach.
    »Fragen Sie lieber nicht.
Glauben Sie mir, mit mir möchte heute ganz sicher niemand den Kopf tauschen«,
winkte sie ab, während sie ihre linke Wange befühlte. »Das hier wird wohl blau
werden, aber sonst geht’s mir den Umständen entsprechend wieder gut. Sie wissen
ja, ich bin hart im Nehmen, Herr Kommissar.«
    Das merkt man, dachte
Haderlein bewundernd.
    »Ich weiß wirklich nicht,
wie ich mich bei Ihnen bedanken soll. Ich …« Ihre Stimme versagte, als sie sich
an die gestrige Situation erinnerte. Sie hatte Tränen in den Augen und
zitterte. »Wenn Sie nicht gewesen wären, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich
tot. Ich weiß wirklich nicht, wie ich das jemals wiedergutmachen soll. So etwas
hat noch nie jemand für mich getan.«
    Haderlein stellte seinen
Kaffee auf die Seite und griff spontan nach ihren Händen, sodass sie in den
seinen zur Ruhe kamen.
    »Das ist mein Job«, sagte
er, während er ihre Augen mit seinen Blicken suchte. »Da gibt es überhaupt
keinen Grund, wieso Sie sich mir auf irgendeine Art und Weise verpflichtet
fühlen müssen.« Er überlegte kurz und fasste einen spontanen Entschluss.
»Wissen Sie was? Sie können jetzt doch sowieso nicht mehr in dieses Haus zurück«,
überlegte er laut, während er Riemenschneider betrachtete, die selbstzufrieden
noch immer an ihrer Banane mampfte. »Sie bleiben jetzt erst mal hier, bis der
Fall abgeschlossen ist. Solange Menschen unterwegs sind, die Sie töten wollen,
muss ich Sie sowieso an einem sicheren Ort unterbringen, und das hier ist
einer. Außerdem bin ich in der nächsten Zeit ständig unterwegs, und
irgendjemand sollte ja auch auf das Ferkel hier aufpassen«, meinte er lächelnd.
»Und umgekehrt natürlich auch«, schob er schnell nach und tätschelte den rosa
Kopf des Schweins.
    Manuela Rast schaute ihn aus
großen Augen an. Dann sprang sie unerwartet auf, lief um den Tisch herum, warf
sich Haderlein an den Hals und weinte.
    »Ist ja gut, ist ja gut«,
beruhigte sie der Hauptkommissar, während er sie vorsichtig von sich wegschob.
Das war ihm jetzt doch ein wenig zu viel der Herzlichkeit. »Außerdem muss ich
jetzt zum Dienst. Ich schicke später jemanden vorbei, der zusammen mit Ihnen
von den beiden Tätern eine Phantomzeichnung anfertigen soll. Schaffen Sie das?«
Sie nickte noch immer gerührt. »Und wenn etwas sein sollte – anrufen. Alles
klar?« Er gab ihr seine Karte, erhob sich und griff zur Jacke. »Dann geh ich
mal wieder Verbrecher fangen«, scherzte er. »So ein alter Witwer wie ich braucht
seine Arbeit, sonst fällt ihm die Decke auf den Kopf.«
    Manuela Rast wischte sich
noch schnell die letzte Träne aus dem verblüfften Gesicht und lächelte
Riemenschneider zu, als sie ihr das letzte Stück Banane reichte.
    »Sag mal, du kleine
Lebensretterin, so von Frau zu Frau«, fragte sie das Ferkel mit gespielt
ernstem Gesicht, »sag mal, hat dein Kommissar gerade ›Witwer‹ gesagt?«
    Riemenschneider hob den Kopf
und schwenkte heftig das geringelte Schwänzchen, was in der weiblichen
Ferkelsprache »Oh ja, und was für einer!« bedeutete.
    *
    Als Haderlein die Dienststelle betrat, wurde er mit frenetischem
Applaus empfangen. Sogar Fidibus kam auf ihn zu und beglückwünschte ihn
persönlich.
    »Mein lieber Herr Haderlein, Sie sind der Edelstein meiner
Abteilung, aber das habe ich ja immer schon gewusst. Wenn man glaubt, es geht
nicht mehr, kommt von irgendwo ein Haderlein her. Ja, ja, ein echter Bäcker in
der Not! Und wenn die allgemeinen Lobhudeleien hier vorbei sind, Haderlein,
kommen Sie doch bitte in mein Büro.« Er klopfte ihm nochmals kameradschaftlich
auf die Schulter und verschwand dann in seinem Glaspalast, um mit der

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