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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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großen Patientin? Wird sie bis
morgen wieder wohlauf sein?«, erkundigte sich Haderlein.
    »Ich denke schon. Ich habe ihr jetzt ein starkes Schlafmittel
gegeben. Wahrscheinlich wird sie bis morgen früh durchschlafen, und dann sieht
die Welt schon wieder besser aus. Und falls noch was sein sollte – einfach anrufen.
Ich habe heute sowieso Nachtdienst.«
    Haderlein brachte den Notarzt noch bis zur Tür. Als er wieder ins
Zimmer trat, lag die blutverschmierte Riemenschneiderin vor dem Bett und
blickte den Hauptkommissar sorgenvoll an, während sie versuchte, den verletzten
Fuß zu heben. Haderlein lachte leise und griff sich sein tapferes Ferkel. »Komm
her, du Heldin, jetzt wirst du erst mal gewaschen. Du siehst ja aus wie ein
Metzgergeselle.«
    Mit Riemenschneider unter dem Arm verschwand er in Richtung
Badezimmer, aber nicht, ohne sich noch einmal umzudrehen und besorgt die
schlafende Frau zu betrachten, die in seinem Bett lag. Dann löschte er das
Licht und schloss leise die Tür.
    *
    Nikolai öffnete die Tür des grauen BMW s.
Niemals machte er einen Plan ohne Rückversicherung, und diese hatte er in
weiser Voraussicht hier geparkt. Er warf die beiden Taschen auf den Rücksitz
und griff sich den großen Kanister, der im Fußraum des Beifahrersitzes stand.
Dann ging er noch mal zum Tiguan zurück, schüttete das Benzin über das Innenleben
des Wagens und, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, über die Reste von
Igor.
    Anschließend trat er drei Schritte zurück und sah sich nochmals um.
Weit und breit war niemand zu sehen. Als er in seine Jackentasche griff, hielt
er in seiner Bewegung inne. Verdammter Mist, fluchte er stumm. Das Feuerzeug
hatte Igor eingesteckt. Also griff er dem Toten in die rechte Gesäßtasche und
zerrte unter weiteren Verwünschungen das russische Feuerzeug hervor. Mit einem
metallischen Klicken schnappte das Scharnier des Deckels auf, als er
dagegendrückte, und eine kräftige kleine Flamme entzündete sich. In einem
kurzen Bogen warf er das brennende Benzinfeuerzeug in den geöffneten Wagen und
war bereits auf dem Rückweg zum BMW ,
als die Polster Feuer fingen. Nun war er allein. Auch gut. Für solch einen
schwierigen Auftrag war das vielleicht sogar sicherer. Er war immer am besten,
wenn er allein arbeiten konnte.
    Als er den Wagen in sicherer Entfernung startete, explodierte der
Tiguan in einem gelb-schwarzen Feuerball.

CADAS
    Kriminalhauptkommissar
Haderlein erwachte von frischem Kaffeeduft. Nach ein paar Augenblicken der
morgendlichen Orientierungslosigkeit setzte er sich auf die Bettkante, zog
hastig seine Hose an und warf das nächstbeste Hemd über seine hageren
Schultern. Er hatte im ehemaligen Ehebett zwischen Stehlampen und Koffern die
Nacht verbracht. Obwohl er nicht so sentimental war, dass dieser Umstand ihm
größere Probleme bereitet hätte, war es nach so vielen Jahren doch ein
merkwürdiges Gefühl.
    Draußen auf dem Flur
intensivierte sich der Kaffeegeruch, und aus dem Erdgeschoss war gedämpftes
weibliches Gelächter zu hören. Sicherheitshalber ging er zu seinem Schlafzimmer
und spitzte hinein, nachdem er auf sein Klopfen keine Antwort bekommen hatte.
Das Zimmer war leer. Die Bettdecke war säuberlich zurückgeschlagen, und die
Kleidungsstücke seiner Frau, die er für Manuela Rast aufs Bett gelegt hatte,
waren ebenfalls verschwunden. Er schaute auf die Uhr. Zehn nach sechs. Was für
eine unchristliche Zeit, dachte sich Haderlein, begab sich aber ins Bad, um
einen einigermaßen geordneten Anblick zu bieten. Nach einer Morgenhygiene im
Sparformat ging er die Treppe hinunter und weiter in die Küche, aus der die
fröhliche Stimme kam.
    In der Küche saß sein Opfer
von gestern auf einem Stuhl und amüsierte sich mit Riemenschneider, die gerade
mit Banane gefüttert wurde. Manuela Rast hatte die weiße Bluse und die
ausgewaschene Jeans seiner Frau angezogen, die er ihr aufs Bett gelegt hatte.
Die rötlich schimmernden Locken fielen ihr wirr über die Schultern, und in
Haderlein regten sich längst vergessen geglaubte Gefühle. Waren die
Kleidungsstücke seiner Frau dafür verantwortlich oder eher der Anblick dieser
unbefangenen Erscheinung? Doch er kam nicht dazu, seinen Emotionen noch länger
nachzuhängen.
    Als Manuela Rast ihn
bemerkte, stand sie sofort auf und kam mit einem dankbaren Blick auf ihn zu.
»Guten Morgen, mein Herr Kommissar und Lebensretter.«
    Verlegen lächelnd wollte
Haderlein etwas Bescheidenes zum Verlauf des gestrigen Abends sagen, doch

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