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Das Alabastergrab

Titel: Das Alabastergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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»Hallo?«, hörte er eine männliche
Stimme sagen. »Wer ist da?« Haderlein legte auf.
    »Warum haben Sie denn nicht gefragt, wer dran ist?«, wunderte sich
Huppendorfer laut.
    Haderlein lächelte das breiteste Siegerlächeln, das er lächeln
konnte. »Weil ich bereits weiß, mit wem ich gesprochen habe, mein lieber
Huppendorfer.« Mit nachdenklichem Blick ließ er sich zurück in seinen Stuhl
fallen. »Soso«, murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart. Haderleins Augen
leuchteten. »Der Herr Umweltminister hat mich also angelogen.«
    *
    Kolonat Schleycher schaute verärgert auf das Display seines Handys.
Die Nummer kannten nur drei Menschen, und einer davon war tot. Missbilligend
schüttelte er den Kopf und steckte das Handy zurück in seine Jackentasche. Die
Gesellschaft war zutiefst verkommen. Höflichkeit war wohl offensichtlich zu
einem Fremdwort geworden, nicht mal gemeldet hatte sich der Anrufer. Dann
blickte er nach vorne zum Podium und lauschte wieder interessiert dem Vortrag
des Wirtschaftswissenschaftlers.
    *
    Emil Büttner war in voller Arbeitsmontur zu seinem Auto gehetzt und
losgefahren. Er wohnte am anderen Ende der Stadt in einer unauffälligen
Siedlung in einem unauffälligen Haus. Seine Frau war das Einzige, was in seinem
Leben nicht unauffällig war. Eigentlich war sie genau das Gegenteil.
    Frau Büttner war die selbst ernannte Managerin der Familie. In
dieser Eigenschaft erfüllte sie auch die Posten der Finanzministerin,
Einkaufsleiterin, Urlaubsbucherin, Verwaltungschefin und
Neuanschaffungsbeauftragten in der Familie in Personalunion. In diesem Haus
passierte nichts, was nicht vorher von ihr mündlich und schriftlich abgesegnet
worden war, das war kein Geheimnis. Selbst die Nachbarn und die Verwandten
wussten darüber Bescheid. Emil Büttner war das recht so. Da er keine Lust auf
Stress hatte, war er dankbar, dass all die schwierigen Sachen, die das Leben so
unnötig verkomplizierten, von seiner Frau erledigt wurden. Er brauchte
eigentlich nur seine Familie um sich, dazu noch sein Bier und seinen Fernseher
und ab und zu einen Kneipengang mit ein paar Arbeitskollegen, dann hatte er
nichts zu beklagen.
    *
    Rosemarie Büttner zählte gerade zum dritten Mal hintereinander die
Sahnejoghurts im Kühlschrank. Das Ergebnis stand eindeutig fest. Über Nacht
waren drei davon spurlos verschwunden. Das konnte nur bedeuten, dass ihr Mann
sich schon wieder nicht an die Rationierungsliste gehalten hatte. Die Kinder
waren im Ferienlager, sie konnten für den Verlust also nicht verantwortlich
gemacht werden. Es musste Emil gewesen sein. Eine Unverschämtheit! Da opferte
man seine besten Jahre für diesen unselbstständigen Faulenzer, und dieser
dankte es einem mit Vertrauensbruch. Na warte, Bürschchen. Dir werde ich
heimleuchten, wenn du heute nach Hause kommst, dachte sie sich mit stiller
Befriedigung. Wahrscheinlich würde dieser charakterschwache Sack wieder alles
abstreiten, aber sie konnte es ihm beweisen. Sie hatte eine lückenlose
Buchführung, die sie jederzeit unabhängigen …
    Ein Klingeln an der Tür schreckte sie auf. Das konnte nur die
Nachbarin sein. Allerdings etwas früh, eigentlich war der Kaffeeklatsch erst
für morgen geplant. Aber die hatte sich noch nie Termine merken können. Egal.
Mit energischem Schwung öffnete Rosemarie Büttner die Tür.
    *
    Emil Büttner kam nicht voran. Aus der Freiheitshalle in Hof strömte
ein Auto nach dem anderen. Wahrscheinlich war wieder irgend so eine
Großveranstaltung wie »Wetten, dass …?« oder ein Volksmusikspektakel gewesen.
Das gab’s in Hof öfter. Schließlich war die Stadt mal im Zonengrenzbezirk
gelegen gewesen, da hatte man im Zuge der Grenzlandförderung schon mal eine
sechstausend Mann fassende Halle hingestellt bekommen. Auf jeden Fall würde es
jetzt dauern, bis er weiterfahren könnte.
    *
    Sie war verwundert. Vor ihr stand nicht die vermutete Nachbarin,
sondern ein ordentlich gekleideter junger Mann im Anzug.
    »Sind Sie Frau Rosemarie Büttner?«, fragte er höflich und lächelte
sie verbindlich an.
    »Ja, junger Mann, die bin ich, aber Vertreterbesuche bitte nur nach
Voranmeldung. Von welcher Firma sind Sie denn?«
    »Entschuldigung, wenn Sie gestatten, Kai Neumann. Ich bin von keiner
Firma im eigentlichen Sinne.«
    »Und wovon sind Sie dann, wenn ich fragen darf?« Rosemarie Büttner
machte keine Anstalten, ihn ins Haus zu bitten.
    »Frau Büttner, Sie spielen doch Lotto?«, Kai Neumann blickte
lächelnd auf einen Zettel.

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