Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus
mit ins Vorzimmer, wo sie ihn der Sekretärin vorlegte.
»Sagen Sie, Lizzie – wissen Sie, was es hiermit auf sich hat?« Mrs. Shuster besah sich das Stück Papier mit zusammengekniffenen Augen.
»Das ist Mr. Scotts Handschrift.«
»Ja, das sehe ich auch, Lizzie. Aber was bedeutet das?«
»Dass er zweitausend Pfund an Keith Welles überwiesen hat, würde ich sagen.«
»Und wer ist dieser Keith Welles, Lizzie?«
»Ich glaube, das könnte Ihnen Ken Fowles besser beantworten, Mrs. Scott, aber der ist leider gerade gegangen.«
»Dann müssen Sie eben Ihr Bestes geben, Lizzie, ja? Erzählen Sie mir, was Sie wissen.«
»Er war einer der vielen Bewerber, mit denen Mr. Scott und Mr. Fowles vor ungefähr einem Monat Gespräche führten. Ich glaube, er war als Letzter dran. Warten Sie, ich sehe mal eben in Mr. Scotts Terminkalender nach.«
Mrs. Shuster hatte die Angewohnheit, zu summen, wenn sie sich Aufgaben wie dieser widmete. Laureen konnte nicht verstehen, wie Bryan das aushielt. Aber er hörte es gar nicht, sagte er. Schon seltsam, wenn man bedachte, wie unmusikalisch die Sekretärin war, dachte Laureen und rief sich Mrs. Shusters Vorzüge in Erinnerung.
»Ja, genau, hier ist es. 33. Kalenderwoche. Und das Gespräch mit Mr. Welles war das letzte.«
»Und worum drehten sich diese Gespräche?«
»Um neue Auslandsvertretungen für das Medikament gegen Magengeschwüre. Keith Welles gehörte allerdings nicht zu den Auserkorenen.«
»Wieso wurden ihm dann zweitausend Pfund überwiesen?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht zur Deckung seiner Reisekosten?Er war mit dem Flugzeug aus Deutschland gekommen und hatte im Hotel übernachtet.« Lizzie Shuster war es nicht gewohnt, ins Kreuzverhör genommen zu werden, und die Fragen verunsicherten sie. Seit über sieben Jahren arbeitete sie hier, aber die Beziehung zwischen ihr und Mrs. Scott war immer eher frostig gewesen. Selbst bei den kurzen Telefonaten im Alltag bildete sich förmlich Raureif auf den Telefonleitungen. Und nicht ein einziges Lächeln hatte sich Laureen bei ihren eher kurzen Begegnungen in all den Jahren abringen können. Als sie es nun endlich schaffte, fiel es übertrieben strahlend aus.
»Seien Sie doch so freundlich, Lizzie, und geben Sie mir Keith Welles’ Telefonnummer, ja?«
»Keith Welles’ Telefonnummer? Ich weiß nicht … Ich werde sie wohl irgendwo auftreiben können. Aber wäre es nicht einfacher, Sie riefen Ihren Mann in München an und bäten ihn darum?«
Laureen lächelte sie noch einmal an, setzte aber gleichzeitig ihren »Ich bin die Frau vom Chef«-Blick auf, bei dem sogar Ken Fowles parierte.
Ohne ein weiteres Wort faltete Laureen den Zettel zusammen, machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum.
Am anderen Ende der Leitung meldete sich Keith Welles’ Frau. Sie klang übermüdet und reichte den Hörer gleich weiter an ihre Tochter. Das Mädchen sprach deutlich besser Englisch. Nein, ihr Vater sei nicht zu Hause, er sei in München. Oder vielleicht auch nicht mehr, vielleicht sei er schon wieder auf dem Weg nach Hause. Sie war sich nicht sicher. Laureen wartete geduldig, bis das Mädchen endlich mit der Telefonnummer des Vaters im Hotel zurück war, obwohl es in der Leitung bei jeder neuen, teuren Telefoneinheit fortlaufend klickte.
Zwei Minuten später hatte sie den Portier des Hotels am Apparat. Er bedauerte sehr, aber Mr. Welles habe gerade dasHotel verlassen und sei in ein Taxi gestiegen. Er könne es von der Rezeption aus sogar sehen. Es fahre in diesem Moment ab.
»Ich habe ein Problem«, erklärte Laureen langsam. »Vielleicht können Sie mir ja helfen. Ich muss dringend meinen Mann erreichen. Er befindet sich zurzeit in Freiburg, und Mr. Welles hat seine Telefonnummer. Ich bin mir sicher, dass Mr. Welles von Ihrem Hotel aus mehrfach bei ihm angerufen hat. Mein Mann heißt Bryan Underwood Scott. Können Sie mir helfen? Gibt es vielleicht eine Liste über die Telefonate, die vom Hotel aus geführt werden?«
»In unserem Haus verfügt jedes Zimmer über ein Telefon mit Amtsleitung, gnädige Frau. Wir kontrollieren die Gespräche unserer Gäste nicht. Aber vielleicht weiß unser Mitarbeiter in der Hotelbar etwas. Mit dem hat sich Mr. Welles einige Male unterhalten. Unser Barkeeper ist nämlich auch Kanadier, müssen Sie wissen. Einen Augenblick, gnädige Frau, ich frage ihn rasch.«
Laureen hörte die Stimmen der beiden wie ein diffuses Summen im Hintergrund.
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