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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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grünen Ebenen verschwammen vor seinen Augen. Jahrelang hatte er nicht geweint, und jetzt füllten sich seine Augen bereits zum zweiten Mal binnen weniger Tage mit Tränen.
    Das unbekümmerte Lachen junger Menschen etwas weiter oben am Hang, der intensive Geruch von Harz, die schöne Landschaft vor ihm. Bryan fühlte sich so einsam wie noch nie. Er konnte nicht die geringste Spur eines Grabmals für seinen besten Freund entdecken.
    Bryan biss sich auf die Oberlippe und stand auf. Warum hatte er Petra nicht um ihre Adresse gebeten? Vielleicht hatte er ihre Wegbeschreibung missverstanden. Vielleicht hatte sie sich ungenau ausgedrückt   – oder hatte sie schlichtweg gelogen?
    Mit hängenden Schultern stand er da, unter ihm die Stadt. Er spürte, wie der Wunsch zu verstehen in ihm erlosch.
    Dies hier war also James’ letzte Ruhestätte. Das galt es zu begreifen.
    Er senkte den Kopf und dachte an seinen Freund. Er strich über die welkenden Blütenblätter und machte sich dann auf die Suche nach einer geeigneten Stelle, um seine Blume niederzulegen. Es gab nicht einmal einen Gedenkstein.
    Am Ende des Säulengangs blieb er einen Moment stehen und betrachtete das kleine Gebäude in der Mitte des Mahnmals. Es war geschlossen. Dann ließ er den Blick nach oben wandern. Nur wenige Schritte entfernt entdeckte er am Hang einenPfad, der durch das Gebüsch hinter dem Monument nach oben führte. Die braune Erde und die nackten, abgewetzten Wurzeln zeigten ihm, dass der Pfad noch benutzt wurde.
    Dort hatte er noch nicht gesucht.
    Kaum war er ein paar Schritte gegangen, als er ein ungewöhnliches Geräusch vernahm, ein leises, kaum hörbares Klicken. Ein Geräusch, das hier gar nichts zu suchen hatte.
    Bryan wunderte sich und war plötzlich hellwach. Waren das die Anfänge einer Paranoia? Oder sollte er besser auf der Hut sein?
    Petra Wagner. Mariann Devers. Die Rehmann. Sie alle hatten irgendwann mit Kröner zu tun gehabt, einem Menschen, der Bryan schon einmal nach dem Leben getrachtet hatte. Der verspürte sicher nicht die geringste Lust, mit seiner düsteren Vergangenheit konfrontiert zu werden.
    Nein, Bryans Misstrauen war alles andere als unbegründet.
    Leise wich er ein paar Schritte vom Pfad ab und legte sich dicht daneben im Gebüsch auf die Lauer.
     
    Keine fünf Meter entfernt tauchte das breite Gesicht in Bryans Blickfeld auf. Wie der Leibhaftige stand Lankau auf dem Dach des Gebäudes und sah sich suchend um. Bryan hatte ihn sofort erkannt.
    Er konnte nicht fassen, dass er dieses Gesicht tatsächlich wiedersah. Das war schlichtweg unmöglich   – Lankau hatte doch sein Leben im Rhein gelassen! Die Bilder von damals zogen im Zeitraffer an Bryans innerem Auge vorbei.
    Dass Lankau noch lebte, dass er nur wenige Meter von ihm entfernt war, übertraf alle Albträume, die Bryan bisher gequält hatten. Bryans Atem überschlug sich, er zwang sich, ruhig zu werden.
    Zwar war der Mann dicker als damals, aber er hatte sich gut gehalten. Übergewichtige Menschen mit roten Wangen sahen, wenn sie älter wurden, oft wie pausbäckige Kinder aus.Gleiches hätte für den Breitgesichtigen gegolten, wenn sein verletztes Auge ihn nicht deutlich entstellt hätte. Er umklammerte die Schusswaffe mit so festem Griff, dass die Knöchel weiß hervortraten.
    Dieser Koloss würde keine Sekunde zögern, wenn er Bryan entdeckte. Behutsam zog Bryan seinen Fuß noch weiter ins Gebüsch und legte das Gesicht auf den Waldboden. Eine Hand schob er unter den Brustkasten.
    Bryan sah Lankaus Schuh erst, als der bereits neben ihm stand. Bryan schlug präzise zu, doch statt in die Knie zu gehen, drehte Lankau sich wie eine Furie zu Bryan um, trat dabei einen Schritt zurück und rutschte ab. Er ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten.
    Ein Schuss löste sich.
    Der Eintritt des Projektils überraschte Bryan ebenso sehr wie das Geräusch des Schusses. Er empfand keinen Schmerz und wusste nicht, wo die Kugel ihn getroffen hatte. Das Echo des gedämpften Schusses war noch nicht verklungen, da stürzte Bryan sich auf Lankau, der mit einem Fuß auf dem Pfad und mit dem anderen am Hang versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Im nächsten Augenblick packte Bryan Lankaus Kopf und trat ihm in die Brust.
    Mit offenem Mund starrte der Hüne ihn verblüfft an. Aber trotz des Schmerzes, den der Tritt verursacht haben musste, gab er keinen einzigen Laut von sich. Er sank in sich zusammen und stürzte rückwärts den Hang hinunter   – ohne Bryan

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