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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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die Stahlseile der Gondelbahn erblickte, war er sicher, dass die Blutung zum Stillstand gekommen war. Weder als Arzt noch als Verletzter musste er sich Gedanken über einen Druckverband oder gar medizinische Versorgung im Krankenhaus machen. Er hatte jetzt ganz andere Sorgen.
    Die erste bestand darin, am Leben zu bleiben. Zeit und Ort des nächsten Angriffs waren völlig ungewiss. Gewiss war nur, dass Lankau nicht aufgeben würde. Man trachtete ihm nach dem Leben. Petra Wagner hatte ihn in eine Falle gelockt.
    Die zweite Sorge war das Warum.
    Warum hatte Petra Wagner ihn angelogen? Warum riskierten sie am helllichten Tage, ihn aus dem Weg zu räumen? Warum war ihnen seine Liquidierung so wichtig?
    Die dritte Sorge waren einige abgebrochene Zweige im Unterholz, direkt vor Bryan. Sie bildeten eine unauffällige Höhle. Das Laub des noch intakten Geästes darüber bewegte sich trotz Windstille. Bryan packte die Pistole am Schaft und zog sie heraus. Er sah sich noch einmal um, bevor er etwas sagte. Nicht einmal drüben bei der Seilbahn rührte sich etwas.
    »Komm da raus!«, rief er gedämpft und trat mit der Schuhspitzeso fest in den Belag des Weges, dass sich kleine Steine lösten und ins Laub flogen. Sofort stand Lankau auf. Er sah furchtbar aus.
    Lankau knurrte etwas. Den Tonfall kannte Bryan nur allzu gut. Auch nach so vielen Jahren strahlte sein Gegner immer noch dieselbe Niedertracht aus wie damals.
    »Sprich Englisch mit mir, das wirst du doch wohl können!«
    »Wieso sollte ich?« Der Widerwille stand ihm ins breite Gesicht geschrieben. Er fixierte die Pistole. Als Bryan sie entsicherte, verzog er das Gesicht und sprang zur Seite. Verwundert sah Bryan von ihm zur Pistole.
    »Du bleibst stehen, sonst schieße ich, darauf kannst du dich verlassen! Du machst jetzt genau, was ich dir sage.«
    Fassungslos starrte der Breitgesichtige Bryan an.
    Bryan gestikulierte mit der Pistole. Der Hüne folgte und trat aus dem Gebüsch. Das Hemd hing ihm aus der Hose, deren Knie waren fleckig von der Erde. Er gab eine jämmerliche Figur ab, doch Bryan wollte nichts riskieren. Mit ärztlicher Präzision schlug er seinem Widersacher zweimal so kräftig auf den Solarplexus, dass Lankau kurz ohnmächtig wurde. Als er wieder auf die Beine kam, scheuchte Bryan ihn mit etwa einem Meter Abstand vor sich her.
    Als sie die Bergstation der Seilbahn erreichten, steckte Bryan die Pistole in die Tasche und bohrte Lankau den Lauf fest in den Rücken.
    »Und keine Zicken, wenn wir in die Gondel steigen! Verstanden?« Bryan verstärkte nochmals den Druck des Pistolenlaufs auf den Rücken. Lankau brummte nur. Dann drehte er sich langsam um und sah Bryan direkt ins Gesicht. Das tote Auge stand halb offen. »Pass bloß mit der Kenju auf, du Hund! Die geht manchmal wie von selbst los!« Sein Englisch war das eines Geschäftsmanns, allerdings mit stark deutschem Akzent.
    Ob der neben der Gondel stehende Mann ein Fahrkartenkontrolleurwar oder nicht, erfuhren sie nicht. Denn als der Mann Lankaus blutverschmiertes Gesicht sah, drückte er sich erschrocken gegen die Wand und rührte sich nicht.
    »Ja, tut mir leid, aber ich muss ihn ins Krankenhaus bringen. Ich bin Arzt.« Der Mann an der Wand schüttelte bloß nervös den Kopf. Er verstand nicht, was Bryan auf Englisch sagte. Bryan schob Lankau in die Gondel. »Er ist gestürzt.« Erst als die Gondel schaukelnd die erste Stütze passiert hatte, löste der Mann sich wieder von der Mauer und sah ihnen nach.
     
    »Dein Auto!«, kommandierte Bryan, als sie unten waren. Lankau überquerte sofort die Straße und zog die Schlüssel aus der Tasche. Unter dem Scheibenwischer des BMW klemmte ein Strafzettel. Ein Stück weiter stand Bryans Volkswagen. Auch an seiner Windschutzscheibe klemmte ein weißer Zettel, aber darum konnte sich der Hippie kümmern.
    Bryan überließ Lankau das Steuer. Er beobachtete seinen Erzfeind und lernte ihn von einer ganz anderen Seite kennen. Abgesehen von seinem entstellten Gesicht wirkte Lankau wie ein ganz normaler Familienvater. Zigarettenschachteln, Bonbonpapier und anderer Kleinabfall, der im Auto herumlag, das alles zeugte von einer gewissen Sorglosigkeit. Bryan saß neben einem absoluten Otto Normalverbraucher. Zudem war Lankau ein Mensch, der es zu etwas gebracht hatte. Die Golftasche auf dem Rücksitz sprach Bände. Kaum hatte Lankau den Zündschlüssel umgedreht, dröhnte Wagner aus den Lautsprechern. Ein Mörder, ein Sadist, ein Simulant, ein Wagner-Liebhaber, das war

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