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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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zurück, vor und zurück. Doch der Gedanke an Petra ließ seine Atmung immer schneller werden.
    Ungewohnte Worte waren durch seinen Panzer gedrungen.
    Er richtete sich auf und begann, die Stuckrosetten an der Decke zu zählen.
    Nachdem er sie zweimal gezählt hatte, hörte er auf zu schaukeln.
    Dann waren die Wörter wieder da. Er trippelte kurz mit den Füßen unter dem Tisch und begann erneut zu zählen. Diesmal blieben die Worte. Dann fasste er sich ans Ohrläppchen, schaukelte noch einmal kurz und hielt dann abrupt inne.
    Gerhart sah sich um und ließ das Zimmer auf sich wirken. Wie ein Gefängnis fühlte es sich an. Wenn er Rosetten zählte, Kekse aß und trippelte, war der alte Mann meistens auch in der Nähe. In dieses Zimmer kam Petra nie.
    Wieder zählte er die Rosetten und trippelte mit den Füßen. Dann nahm er sich einen Keks und biss ab.
    Der alte Mann hatte ihm wehgetan.
    Langsam wurden die Worte deutlicher, über die der Alte sich so aufgeregt hatte. Gerhart zählte immer schneller. Als sich die Zimmerdecke schließlich Rosette für Rosette rasend schnell über ihm drehte, hörte er auf zu kauen.
    Und plötzlich hörte er auf, sich den Gedanken zu widersetzen, die sich ihm aufdrängten.
    Ihn streifte das Gefühl von etwas Unwirklichem. Den Namen Arno von der Leyen konnte Gerhart sehr gut verstehen. Es war ein ungewöhnlicher Name. Und es war ein guter Name.Früher einmal hatte er ihn so oft in seinem Kopf wiederholt, dass ihm davon ganz schwindlig geworden war. Dann hatte er irgendwann damit aufgehört.
    Und jetzt war er wieder da und störte seinen Frieden.
    Allzu lange Gedankenfolgen taten ihm nicht gut. Sie brachten sein Inneres in Aufruhr. Wörter und Gefühle flossen ineinander und gebaren neue Gedanken. Gedanken, um die er nicht gebeten hatte.
    Darum war es das Beste, wenn die Wörter ihr ganz eigenes Leben führten, außerhalb seines Kopfes, weit weg von seinem Herzen.
    Aber jetzt war es anders. Jetzt waren sie eingedrungen in das Reich, das er sich so qualvoll erschaffen hatte in all den Jahren.
    Eine lange nicht mehr gekannte Rastlosigkeit bemächtigte sich seiner, da war etwas, das seine Ruhe massiv störte: Gerhart verband kein Gesicht mit dem Namen Arno von der Leyen. Schon vor Jahren war es aus seinem Gedächtnis verschwunden. Mit dem Namen verband er eine gewisse Wärme, doch er fand kein Gesicht dazu in seiner Erinnerung. Ein Gefühl, das ihn zutiefst befremdete.
    Die drei Männer, die ihn manchmal besuchten, vermochten ihn jeder auf seine Weise bis ins Mark zu erschüttern. Aber verunsichern konnten sie ihn nicht. Alles, was die drei Männer taten, war im selben Augenblick vergessen, da sie ihn wieder allein ließen.
    Mit diesem Namen war das anders.
    Er begann wieder zu zählen. Die Füße unter dem Tisch trippelten jetzt schneller, überholten das Zählen, auch der Name war wieder da und unterbrach die ewige Stille. Ein innerer Sturm brach sich Bahn und wütete los.
    So saß er lange da.
    Als Andrea hereinkam und höhnisch auf den Teller sah, schwirrte ihm ein weiterer Name im Kopf herum. Als wäre er nie weg gewesen. Sein Klang stand für ein eigenes Leben.Ein Leben in weiter, unerreichbarer Ferne. Der Name Bryan Underwood Scott. Er war wie ein Dolchstoß in sein Bewusstsein eingedrungen. Hatte Gefühle und Erinnerungen ineinanderfließen lassen und Hilflosigkeit, Verwirrung und Angst in ihm ausgelöst.
    Doch das Schlimmste war, dass der Pockennarbige die Wohnung verlassen hatte, um Petra etwas anzutun. Das hatte er begriffen.
    So, wie sich manche Menschen ohne ihr Amulett schutzlos fühlten, hatte auch Gerhart Peuckert nicht mehr das Gefühl, unantastbar zu sein. Seine Unverwundbarkeit war für immer dahin. Der Klang dieser Wörter hatte seine Gefühle entfesselt.
    Er versuchte noch einmal, die Rosetten zu zählen, und spürte, wie aus dem Unterbewusstsein Hass in ihm aufstieg. Wieder stürzten die Gedanken über ihn herein.
    Solange er denken konnte, war er Gerhart Peuckert gewesen. Zwar nannte man ihn auch Erich Blumenfeld, aber er war Gerhart Peuckert. Die beiden Identitäten kamen sich nicht in die Quere. Aber da war noch etwas. Noch jemand. Er selbst. Wer auch immer dieser Jemand war: Er hatte stets ein Leben neben diesem Leben gelebt. Und dieser Jemand war unglücklich und hatte zeit seines Lebens gelitten.
    Darum war es gut, dass er so lange weg gewesen war.
    Gerhart Peuckert betrachtete die Kekse. Er nahm einen und fasste ihn so ungeschickt an, dass seine Fingerspitzen vor

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