Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus
vermengte sich mit Attacken von besinnungslosem Hass, gegen die er aber erst mal ankämpfte.
»Die Beine ganz unter den Tisch«, kommandierte Gerhart Peuckert, ohne ihn dabei anzusehen. »Mit dem Stuhl ganz nah an den Tisch.« Mit herabgezogenen Mundwinkeln schob Lankau seinen dicken Bauch bis an die Tischkante heran.
Peuckert wühlte im Sekretär von Lankaus Frau. »Schreib!« Er knallte ein Blatt liniertes Papier vor Lankau auf den Tisch.
»Du weißt nicht, was du tust, Gerhart!« Lankau starrte auf das Papier. »Komm, ich fahre dich zurück zum Sanatorium! Überleg doch mal! Wenn die beiden da nicht aufgekreuzt wären, wäre alles noch beim Alten. Das alles ist doch nicht meineSchuld!« Er fluchte und sah zu Gerhart auf. »Und wenn die beiden da nicht aufgekreuzt wären, dann wäre immer noch alles in Ordnung mit dir und Petra! Was auch immer mit Kröner und Stich passiert ist, es wäre ebenfalls nicht passiert. Habe ich Recht?«
Der Kugelschreiber, den Gerhart vor Lankau auf den Tisch warf, gehörte der Engländerin. Er hatte ihn vom Boden aufgehoben.
»Erschieß nicht mich, sondern die beiden da.« Lankau machte eine ruckartige Kopfbewegung in Richtung der Gefesselten. »Nun erschieß sie doch schon! Nichts als Unheil haben sie uns gebracht! Was soll schon passieren? Du schaffst das schon. Ich weiß, wie gut du schießen kannst, Herr Standartenführer Peuckert! Und hinterher wird man dich nicht antasten. Was soll man dir schon tun? Du kommst zurück ins Sanatorium, das verspreche ich dir. Alles wird wieder wie früher! Du wirst wieder Erich Blumenfeld! Gerhart! Denk doch mal nach! Wer hat sich in all den Jahren um dich gekümmert? Wir! Hast du das schon vergessen?«
Mit ruhiger Hand hielt Peuckert die Pistole. Er neigte den Kopf ein wenig und runzelte die Stirn. »Ich habe nichts vergessen«, entgegnete er und schob das Papier näher zu Lankau hin. »Und jetzt schreib, was ich dir diktiere!«
»Vielleicht«, antwortete der Breitgesichtige und versuchte, sich auszurechnen, wie viele Kugeln noch im Magazin der Shiki Kenju waren.
»Wir, Bürger der Stadt Freiburg im Breisgau …«, sprach Peuckert schleppend, »… sind Horst Lankau, Standartenführer des Bergjägerkorps, alias Alex Faber, S S-Obersturmbann führer im Sonderdienst Peter Stich alias Hermann Müller und Wilfried Kröner,S S-Obersturmbannführer der deutschen Wehrmacht, alias Hans Schmidt …«
»Ich schreibe überhaupt nichts!«, sagte Lankau und legte den Stift hin.
»Ich bringe deine Frau um, wenn du es nicht tust!«
»Und? Was juckt mich das?« Lankau erhob sich ein klein wenig von seinem Stuhl. Der massive Eichentisch war schwerer als erwartet. Ihn umzuwerfen, würde übermenschliche Kräfte erfordern. Er holte tief Luft.
»Und deinen Sohn auch!«
»So, so.« Lankau schnipste den Stift noch weiter von sich weg.
Gerhart sah ihn eine ganze Weile ruhig an. Dann zog er die Mundwinkel nach unten. »Ich war es. Ich habe Kröner und Stich umgebracht.« Er ließ Lankau keine Sekunde aus den Augen. Der atmete ganz ruhig, aber seine trotzige Haltung bröckelte. »Stich habe ich mit Stromstößen umgebracht. Und Andrea auch. Und weißt du was? Sie haben eine jämmerliche Gestalt abgegeben.« Er hielt einen Moment inne. Der Speichel in seinem Mundwinkel war getrocknet. Er schob die Hand tief in die Tasche und schüttelte sie. Ein Rasseln erklang, wie von Tabletten in einem Glas. Sein harter Blick wurde etwas weicher.
Lankau sah Peuckert unverwandt an. Er wirkte, als habe Peuckert Entzugserscheinungen. Als könne er sich kaum beherrschen. Als würde er am liebsten eine der Tabletten nehmen.
»Geht es dir nicht gut, Gerhart? Sag schon! Soll ich dir helfen?« Lankaus Worte verhallten ungehört.
»Und Kröner habe ich ertränkt«, erklärte Gerhart schließlich leise und richtete sich auf. »Genau so, wie du das Schwein da ertränken wolltest. Schön langsam.«
»Du lügst doch!« Lankau ließ sich nicht beeindrucken, lehnte sich aber dennoch möglichst lässig zurück. Wenn er diese Bewegung mit einem kräftigen Hub am Tisch kombinierte, könnte er sich befreien.
»Ich habe gute Lehrmeister gehabt.«
Lankau lächelte wie geehrt. »Was willst du damit sagen?«
»Das weißt du ganz genau!« Gerhart wischte sich über die Mundwinkel und spuckte auf den Boden. Er meinte es ernst.
»Hast du Durst, Gerhart? Drüben im Schuppen habe ich ganz wunderbaren Rheinwein. Wie wäre es mit einem Schluck?« Lankau befeuchtete sich die Lippen und
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