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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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konzentrierte er sich darauf, an die Decke zu starren. Zwar fixierte ihn der Mann in Schwarz ein paarmal, aber immerhin blieb er kein einziges Mal stehen.
    Er fand offenkundig nichts Ungewöhnliches an Bryans Zustand.
    Die Zeit dehnte sich.
    Bryan sah sich in aller Ruhe um. Dann und wann zeigte sich ein schwacher Sonnenstrahl hinter den flackernden Schatten am Fenster gegenüber und legte sich als diffuses Licht auf die vom Tod gezeichneten Gesichter in den Nachbarbetten.
    Seit Sonnenaufgang fuhr der Zug ziemlich langsam. EinigeMale war er stehen geblieben. Geräusche von Autos und Menschen in der Nähe ließen Bryan annehmen, dass sie wieder an einer Stadt vorbeifuhren.
    Nach Bryans Berechnung waren sie in südwestlicher Richtung unterwegs. Würzburg mussten sie bereits passiert haben. Ihr Bestimmungsort konnte Stuttgart sein oder Karlsruhe oder eine der anderen Städte im Südwesten, denen die Bombardements noch nicht allzu stark zugesetzt hatten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Zeichen ehemaliger Größe dem Erdboden gleichgemacht wären. Die Kameraden von der Royal Air Force kamen in der Nacht und die Amerikaner am Tag, und zwar so lange, bis nichts von alledem mehr übrig war.
    In der Dämmerstunde, ehe das Tageslicht ganz verschwunden war, wartete Bryan darauf, dass James aufwachte. Die Wachablösung nahm schwerfällig auf dem Stuhl Platz. Die Frau war schon zum dritten Mal an der Reihe. Eine gut aussehende Frau. Nicht lebhaft und jung, aber mit der gleichen starken Ausstrahlung wie jene lächelnden, großbusigen, reifen Frauen, die James und er am Strand von Dover mit Blicken ausgezogen hatten. Bryan zwang sich, wegzusehen. Er musste sich auf seine Situation konzentrieren. Diese Frau, die ihn bewachte, lächelte nicht. Man sah ihr an, dass sie viel durchgemacht hatte. Aber schön war sie.
    Die Frau reckte sich, ließ dann die Arme langsam sinken und starrte in die Dämmerung. In ihrem Blick drückten sich Entbehrung aus und Opfer und ein Sich-Fügen in das Schicksal. Sie stand auf und trat langsam ans Fenster. Es schneite wieder in großen Flocken. Sie legte die Stirn gegen die beschlagene Scheibe und ließ die Gegenwart für eine Weile hinter sich. Das gab Bryan Zeit zu handeln.
    Als Bryan James wachrüttelte, betete er zu Gott, dass James’ großes Talent zur Selbstbeherrschung auch jetzt greifen möge. Bryan signalisierte seinem Freund mit funkelnden Augen, er möge sich zusammenreißen.
    James nickte und hatte sofort verstanden.
    »Halt die Augen offen«, zeigten Bryans Finger. »Tu so, als seist du bekloppt«, formten seine Lippen. »Verrückt. Dann haben wir eine Chance«, flehten seine Augen, hoffend, dass James ihn verstand.
    »Du bist verrückt«, formten James’ Lippen zunächst. Aber dann hatte James sich entschieden. »Du zuerst!«, bedeuteten seine Grimassen, Widerspruch erwartete er nicht. Bryan nickte.
    Er war ja ohnehin entschlossen.
     
    In dieser Nacht fiel das Licht im Wagen aus. Zuvor war der Arzt herumgegangen. Seinen Respekt heischenden Gruß erwiderte die Gestapofrau mit einem kurzen Nicken. Sie beobachtete jede seiner Bewegungen.
    Nachdem er bei zweien der zuletzt dazugekommenen Patienten den Puls gefühlt hatte, schritt er weiter und ließ den Blick über die Betten wandern. Er musterte jeden einzelnen Bettlägerigen. Als er Bryans weit aufgerissene Augen sah, machte der Arzt in der Bewegung kehrt und rief der Aufseherin etwas zu. Nach einigen lauten Befehlen stürzte sie Türen knallend aus dem Wagen.
    Der Arzt und die Krankenschwester, die aus dem nächsten Wagen geholt worden war, beugten sich über Bryan und starrten ihm aus nächster Nähe ins Gesicht.
    Da er ins Leere stieren musste, war es für Bryan schwer, zu verfolgen, was sie machten.
    Zuerst leuchteten sie ihm in die Augen, dann riefen sie ihn mit lauter Stimme an. Sie ohrfeigten ihn leicht und sprachen in gedämpftem Ton mit ihm. Die Krankenschwester legte eine Hand auf seine Wange und wechselte ein paar Worte mit dem Arzt.
    Bryan erwartete nun, dass sie nach der spitzen Schwesternnadel an ihrem Kragen greifen würde, aber er wagte es nicht,ihr den Kopf zuzuwenden. So hielt er förmlich die Luft an und wartete auf den Augenblick, in dem sie zustechen würde. Als es soweit war, verdrehte er die Augen. Die Decke über ihm drehte sich wie ein Karussell. Ihm wurde schwindlig.
    Als sie zum zweiten Mal zustach, wiederholte er das Manöver und ließ die Augäpfel ganz nach hinten kippen.
    Daraufhin berieten sie

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