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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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sich, leuchteten ihm noch einmal in die Augen und ließen ihn endlich in Ruhe.
     
    Mitten in der Nacht fing James plötzlich an, ausdruckslos und mit weit geöffnetem Mund zu summen. Die Aufseherin hob den Blick und sah sich verwirrt um.
    Bryan öffnete die Augen und konnte sich gerade noch auf die Seite drehen, bevor das Licht eingeschaltet wurde. Einen Augenblick war er geblendet. Auch er war tief im Traumland unterwegs gewesen.
    Die Illusion war außerordentlich gelungen und wirkungsvoll. James gelang es auszusehen, als sei er ganz weit weg und ziemlich verrückt, und dabei hatte er gleichzeitig einen schmerzlichen und gleichgültigen Ausdruck im Gesicht. Auf Bryan wirkte das grotesk und abstoßend. Dann sah er James’ Hände, die völlig entspannt auf der Decke lagen. Sie waren mit Kot besudelt. Er hatte Kot unter den Fingernägeln und braune Streifen an den Unterarmen. Die Bettdecke, das Kopfkissen, das Laken, das Kopfende des Bettes, das Hemd, alles war mit der stinkenden klebrigen Masse vollgeschmiert.
    James hatte nicht länger einhalten können.
    Mit vor die Brust gepressten, verschränkten Armen zog sich die Aufseherin angeekelt zurück.
    Als alle wieder in ihre Quartiere zurückgekehrt waren, war James’ monotones Summen das Letzte, was Bryan hörte, ehe er in einen oberflächlichen Schlaf versank. Die Spritze, die sie ihm gegeben hatten, tat ihre Wirkung.

6
    EIN GEFÜHL WIE von Fliegen, die hauchzart auf den Augenlidern tanzten. Ein sanftes Schaukeln auf einem vom Sommerwind leicht wogenden Meer. Kalte Wasserspritzer auf den Wangen. All das kämpfte nun schon lange mit Geräuschen, die nicht dazugehörten, sowie mit einem zunehmenden Stechen im Rücken. Da schlug in einem Wellental das Wasser hoch auf und ein Spritzer traf ihn am Auge. Bryan blinzelte. Den nächsten Spritzer spürte er noch deutlicher. Der sonderbare, massive Schmerz schien jetzt vom Rücken über die Lenden in die Beine auszustrahlen.
    Er lag nicht mehr in einem der Betten im Lazarettzug. Er lag auf einer Trage auf eiskaltem Boden.
    Als er die Augen aufschlug, wirbelten Schneeflocken federleicht über seinem Gesicht. Apathisch versuchte er, sich in der Wirklichkeit zu orientieren.
    Ein schmaler Streifen grauen Himmels zeichnete sich über ihm ab und trennte den Bahnhofsvorbau von dem stehenden Zug. Ringsum wurden Tragen transportiert. Am vorderen Ende des langen Zugs stiegen S S-Soldaten aus. Einer nach dem anderen verließen sie den Zug mit Gepäck und geschultertem Gewehr.
    Ein paar von ihnen sprangen über die Bahnsteigkante und gingen schwatzend und scherzend am Gleis entlang, Helm und Gasmaske baumelten lässig auf dem Rücken.
    Soldaten auf dem Weg nach Hause.
    Unter ohrenbetäubendem Quietschen und Kreischen wurde der hinterste Wagen abgehängt. Bryan konnte nun trotz der tanzenden Schneeflocken die Gebäude der Stadt und dieHöhenzüge erkennen. Ein paar Schneeflocken, die auf seiner Wange landeten, brachten für einen kleinen Moment Traum und Wirklichkeit zusammen. Um der Kälte im Rücken zu entkommen, hob er ihn leicht an und sah sich dabei in dem Gewirr von Tragen auf dem Bahnsteig langsam nach James um.
    Eine Reihe senkrechter Balken stützte den Kehlbalken des Vorbaus, einen knapp zwei Meter breiten überdachten Durchgang vor dem Holzgebäude. Überall lag Schnee. Die Tragen standen schräg vor der Wand. Ein Teil der Verwundeten war schon weg. Als ihm aufging, James könnte bereits irgendwohin abtransportiert worden sein, ließ Bryan sich resigniert zurückfallen. Das Knattern eines Motors ertönte, und ein weiterer Lastwagen fuhr rückwärts an die Rampe am Ende des Bahnsteigs.
    Mehrere Männer erschienen und musterten die Liegenden. Sie schlugen die Arme um den Körper, um sich den Schnee von den Mänteln zu klopfen, dann nahmen sie die nächststehenden Tragen auf. Nach einer Weile stand außer Bryans Trage nur noch eine weitere auf dem Bahnsteig, halb verborgen hinter dem Gitter eines Handwagens von der Post. Bryans nackte, rot gefärbte Füße ragten unter der Decke hervor. Bryan wippte vorsichtig mit den Zehen und sah an sich herab. Mit einer Nadel war ein roter Zettel ganz unten an der Decke befestigt. Vor dem schneeweißen Hintergrund leuchtete er wie Blut.
    Ein Stück weiter unten konnte er durch die wirbelnden Schneeflocken ein weiteres Gebäude ausmachen. Dorthin hatte man den größten Teil des Zuges rangiert. Dunkle Pünktchen waren zu sehen und frohes Rufen zu hören. Bryan kannte die Stimmung. So wurde

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