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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Hodensack.
    Das Laken war diesmal neu und ungebleicht. Es fühlte sich gut an, trotz der Falten, die ihn drückten. Bis alle gegangen waren, musste er in dieser Haltung liegen bleiben. So konnte er zusehen, wie sich die Schwestern mit James abmühten.
    Die Wunde an James’ Ohr hatte wieder zu bluten begonnen. Am Ohrläppchen war ein Stückchen Haut abgerissen und lag auf der Gaze neben seinem Kopf. Der Sicherheitsoffizier beobachtete das Geschehen. Als die Schwester Jod auftupfte, trat er näher. Die Pflegerin fühlte sich überwacht und war verunsichert, sodass ein Tropfen der bräunlichen Flüssigkeit auf James’ Stirn spritzte.
    Die beiden Schwestern eilten weiter, doch der Sicherheitsoffizier trat noch näher und sah zu, wie der Jodtropfen langsam auf James’ Augenwinkel zulief. James schien zu ahnen, dass er beobachtet wurde, denn sonst hätte er den Tropfen sicher weggewischt. Als der braune Tropfen die Nasenwurzel passiert hatte, hatte er sozusagen freie Bahn.
    Unmittelbar bevor die Flüssigkeit in James’ Auge glitt, bewegten sich die schwarzen Reithosen vor Bryans Gesicht. Mit leichtem Druck des Daumens wischte der Mann den Jodtropfen zur Seite und in James’ Augenbraue. Dann legte er die Hände wieder auf den Rücken und rieb sich den jodgefärbten Daumen ab.
     
    Auch nach mehr als zwei Tagen ohne Essen verspürte Bryan weder Hunger noch Durst, nur sein Mund war schrecklich trocken. Die Nahrung, die er intravenös zugeführt bekam, schien ausreichend zu sein.
    Seit der letzten regulären Mahlzeit waren mehr als sechzig Stunden vergangen. Seit ihrem Absturz waren gut fünfundfünfzig Stunden vergangen und seit knapp fünfzig Stunden lagen sie in diesen Betten. Aber was, wenn erst einmal hundertfünfzigStunden vergangen waren? Wann würde man ihnen einen Gummischlauch in die Speiseröhre stopfen? Und wie sollten sie das ertragen, ohne zu reagieren? Die Antwort war so einfach wie niederschmetternd. Es war unmöglich.
    Bryan musste dafür sorgen, dass es gar nicht erst dazu kam. Mit anderen Worten, sie mussten unbedingt aus der simulierten Apathie erwachen, denn sie hatten keine Wahl.
    Sie könnten dann auch beobachten, was rings um sie herum geschah, und sich durch Zeichen verständigen. Sie müssten dann auch eine langsame Besserung ihres Gesundheitszustandes simulieren. Und wenn es erst einmal soweit war, konnten sie auch selbst essen und vielleicht die Bettpfanne benutzen, ja womöglich aufstehen.
    Und vielleicht gelänge ihnen sogar die Flucht.
    Und wieder beschäftigte Bryan diese eine Frage: Was fehlte ihnen eigentlich? Wieso lagen sie überhaupt hier?
    Die weitaus meisten Verwundeten im Wagen trugen keinerlei sichtbare Verletzungen, es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, worunter die Patienten in diesem Wagen litten. Sie alle schienen tief bewusstlos zu sein, und dafür musste es ja eine Ursache geben. Nur zwei trugen Kopfverbände. Da war die Sache klar. Aber der Rest? Was hatte den beiden Männern, die sie aus dem Zug geworfen hatten, gefehlt? Und was fehlte ihm und James an deren Stelle?
    Wenn sie plötzlich die Augen öffneten und auf ihre Umgebung reagierten, was würde das bedeuten? Würde das überhaupt gehen? Welche Konsequenzen mochte das haben?
    Neue Analysen? Röntgenuntersuchungen? Und würde man dann sehen, dass man es hier mit zwei gesunden Männern zu tun hatte?
    Auf all diese Fragen würde Bryan nur dann eine Antwort finden, wenn er offiziell die Augen aufschlug.
    Eine andere Lösung gab es nicht.
    Sie mussten das Spiel spielen, so gut es eben ging.

5
    JE LÄNGER BRYAN darüber nachdachte, desto sicherer war er, das einzig Richtige getan zu haben, indem er die Augen geöffnet hatte und so seinen neuen Zustand vorsichtig preisgab. Von dem Pflegepersonal und den Soldaten, die im Laufe des Tages durch den Wagen gegangen waren, hatte aber niemand von ihm Notiz genommen.
    Neben ihm lag regungslos James. Ob er schlief? Dann hatte er in der Nacht sicher lange wach gelegen. Jedes Mal, wenn eine der Gestapofrauen während der Wache einnickte oder sich reckte, stupste Bryan James vorsichtig an. Der reagierte aber nur ein einziges Mal, indem er den Kopf schüttelte und tief seufzte. Das war alles. Und das machte Bryan mehr Sorgen als das Schlagen der Tür, wenn die S S-Soldaten ihre Runde drehten.
    Der Sicherheitsoffizier erschien in regelmäßigen Abständen.
    Als Bryan zum ersten Mal merkte, wie ihn dessen kalte Augen musterten, blieb ihm fast das Herz stehen. Beim zweiten Mal

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