Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
Vom Netzwerk:
Augen.
    »Und weißt du auch, warum, James?« Bryan stand lange da und sah seinen Freund an. Als der Wind einen Moment nachließ, öffnete James die Augen und sah Bryan an.
    »Wenn wir uns für den Zug nach Osten entschieden hätten, James, dann hätte ich dich verdammt noch mal aus Scheiß-Sibirien zurückholen müssen!«
    James sah Bryan noch einmal prüfend an und wandte dann das Gesicht ab. So, wie sein Blick über den Himmel sprang, wirkte es fast, als würde James die wild vorbeijagenden Wolken zählen.
    Dann lächelte er leise, legte den Kopf in den Nacken und ließ die Nachmittagssonne sein Gesicht streicheln.
     
    Nachdem James gegangen war, sah Bryan ihm reglos nach, wie er in der untergehenden Sonne zum Haus zurücklief. James drehte sich nicht ein einziges Mal um.
    Bryan schloss die Augen und atmete tief ein. Er brauchte Luft.
    Das Zittern erfasste seinen Körper in mehreren Wellen.
    Als er endlich die Schultern sinken ließ, stand Laureen vor ihm.
    Sie sah ihn mit einem Blick an, den er noch nie zuvor an ihr wahrgenommen hatte. Als würde sie direkt in ihn hineinsehen. Sie hielt sich den Kragen zu und versuchte ein Lächeln. »Ich glaube, die Zeichnungen sind nicht echt, Bryan«, sagte sie nach anfänglichem Schweigen. »Aber ich habe Petra geraten, sie einem Experten vorzulegen.«
    »Ja, natürlich.« Bryan hörte das Kreischen der hungrigen Möwen.
    »Ich weiß nicht, ob sie es tun wird. James hat gesagt, er würde sie schon verkauft bekommen. Er hat ihr gesagt, sie solle abwarten, er würde sich darum kümmern.«
    »Er würde sich darum kümmern?« Bryan atmete ganz ruhig. »Das habe ich doch irgendwo schon mal gehört.«
    Laureen fasste ihn am Arm. Mit der freien Hand versuchte sie, ihre Frisur vor dem Wind zu schützen.
    »Es geht dir nicht gut, Bryan, stimmt’s?«, erkundigte sie sich vorsichtig.
    Er zuckte die Achseln. Einzelne weiße Schaumfetzen wurden von den Böen bis über die Klippenkante gepeitscht. Laureen täuschte sich. Aber seltsam war die Stimmung, die sich seiner bemächtigen wollte, tatsächlich.
    »Du fühlst dich im Stich gelassen, oder, Bryan?«, fragte sie leise.
    Bryan schob die Hand tief in die Hosentasche. Er zog Schlüsselbund und Zigarettenschachtel hervor, nahm eine Zigarette zwischen die Lippen und blieb stehen, ohne sie anzuzünden. Er dachte über die seltsame Formulierung ihrer Frage nach. Er hätte es nicht einfacher ausdrücken können. Seit James ihm eben den Rücken zugekehrt hatte, hatte eine Frage wie diese nur darauf gewartet, sich auf ihn zu stürzen.
    »Ob
ich
mich im Stich gelassen fühle?« Er biss sich in die Wange, weil die auf einmal anfing zu zittern. »Wie fühlt sich das an? Im Stich gelassen zu werden. Ich weiß es nicht. Ich habe all die Jahre nur immer daran gedacht, dass ich
ihn
im Stich gelassen habe. Und das Gefühl kenne ich nur zu gut.«
    Im Bruchteil einer Sekunde schossen Bryan so viele Momente durch den Kopf, in denen er irgendwelche Versprechen gebrochen hatte. Doch die Scham darüber war nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den er empfand, als ihm James eben wortlos den Rücken zugekehrt und ihn an der Klippe hatte stehen lassen.
    »Bryan! Was ist los, du siehst entsetzlich aus!«
    Bryan schüttelte den Kopf. »Ich zerbreche mir gerade den Kopf darüber, warum es dreißig Jahre dauern musste, bis diese Frage richtig gestellt wurde, Laureen«, sagte er leise.
    Sie rührte sich nicht.
    Die Sonne tauchte seinen Kopf in helles Licht. Das Meer wurde immer dunkler.
    »Aber wenn du mir früher davon erzählt hättest, hätte ich diese Frage so gar nicht stellen können!«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt?« Er schloss den Kragen eng um den Hals. »Jetzt bin ich frei.« Er blieb einen Moment stehen. Dann hob er die Arme und legte sie um Laureens Schultern. Er zog seine Frau behutsam zu sich heran und umschloss sie unendlich zärtlich, bis er spürte, wie sie sich endlich entspannte.
    Schließlich zog er den Schlüsselbund aus der Tasche. »Tust du mir einen Gefallen, Laureen, und holst den Wagen? Du kannst mich bei den Bäumen da drüben aufsammeln.« Er zeigte die Straße hinunter und gab ihr die Schlüssel. »Ich möchte gerne noch einen Moment hierbleiben.«
    Sie wollte gerade protestieren, da hatte Bryan sie auch schon losgelassen und sich in den Wind gedreht, der wieder aufgefrischt hatte. Sie nahm seine Hand und hielt sie an ihre Wange, doch Bryan wandte sich nicht um. Nach wenigen Schritten rief sie ihn und er erwiderte ihren Blick voller

Weitere Kostenlose Bücher