Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus
zu bellen. Die Männer sahen sich verwirrt um. Kopfschüttelnd traten sie die Zigaretten aus, und die Gruppe löste sich auf.
Sowie ihre Stimmen verstummt waren, schob sich Bryan auf das Dach und von dort durch das Fenster. Noch ein paar Sekunden länger, und er hätte keinen Halt mehr gehabt.
Das Dachzimmer hatte nichts zu bieten. Alte Betten und Matratzen hatten auf den staubigen Bohlen ihren letzten Platz gefunden. Hätte Bryan damit nicht Spuren hinterlassen, die verrieten, auf welchem Weg er verschwunden war, wäre er hier glatt ein paar Tage geblieben. Bis das Wetter vielleicht milder und die Flucht weniger riskant gewesen wäre.
Aber so, wie die Dinge lagen, musste er weiter. Doch zuerst musste er irgendetwas Wärmendes für seine Füße finden. Hier war nichts.
Die Treppe zur Etage darunter endete an einer Tür. Vielleicht war sie einmal abgeschlossen gewesen, aber nun botennur Feuchtigkeit und Dreck Widerstand. Im Zimmer unter ihm rührte sich nichts. Das Dröhnen der Bomben klang hier anders, viel näher. Die ganze Dachschräge vibrierte. Es war beklemmend.
Der Gang war schmal und zog sich durch das gesamte Gebäude, links und rechts gingen von dort Türen ab. Bryan stand in dem gedämpften Licht auf dem Gang und merkte, wie ihm der kalte Schweiß ausbrach. Ein Mann im Schlafrock im Quartier der Frauen. Da gab es keinen Zweifel, dass er hier definitiv nicht hingehörte.
Das Mansardenzimmer, in das er von außen nicht hatte eindringen können, musste sich hinter einer der drei Türen unmittelbar vor ihm befinden. Die Geräusche hinter der Tür rechts und der Abstand zu den beiden nächsten Türen verrieten ihm, wo sich Bad und Toiletten befinden mussten. Also würde die Tür in der Mitte in den Raum führen, der über dem Untersuchungsraum unten lag, und die Tür links musste deshalb die zur Mansarde sein.
Im WC zog jemand die Wasserspülung und putzte sich die Nase. In dem Moment, als die Frau die Tür aufmachte, verschwand Bryan in der Mansarde. Ihre Schritte klangen müde. Als sie zur nächsten Tür kam, klopfte sie und rief etwas. Sekunden später herrschte auf dem Flur ein Durcheinander aus Schritten und Stimmen.
Unten vom Hof waren Fahrzeuge zu hören, die abfuhren, die Detonationen in der Ferne waren überall spürbar.
Es herrschte weit mehr Aktivität als normalerweise um diese Zeit des Tages.
Bryan sah sich um. Im Lichtschein der Explosionen erkannte er Stöße ordentlich zusammengefalteter Wäsche. Keine Schuhe. Nur Bettwäsche. Schon eine Bluse oder irgendwelche Unterhosen wären gut gewesen.
Aber auch hier war für ihn nichts Brauchbares zu finden.
Als der Trubel auf dem Gang schließlich nachließ und die Schatten, die sich durchs Schlüsselloch nicht identifizieren ließen, verschwanden, war nur noch aus den anderen Mansardenzimmern gedämpftes Plaudern zu hören. Bryans Möglichkeiten waren äußerst begrenzt. Er konnte die Treppe wieder hinaufgehen und versuchen, so leicht wie er nun bekleidet war, von der Dachfläche aus die Fichten zu erreichen. Da würde er unter Umständen tief fallen. Oder er konnte versuchen, unbemerkt in eines der Zimmer auf der anderen Seite des Ganges zu gelangen. Vielleicht war dort Kleidung zu finden und vielleicht war der Sprung zu den Bäumen von dort aus weniger riskant. Bei beiden Möglichkeiten schauderte es ihn. Du wüsstest, was zu tun wäre, James!, dachte er.
Der Magen zog sich ihm zusammen.
Ein donnerndes, krachendes Inferno von zahllosen Detonationen brachte die Scheiben zum Klirren. Die Stimmen in den Kammern wurden lauter. Türen auf der anderen Seite des Ganges gingen auf und die Mädchen rannten über den Gang in die Zimmer nach Westen hin, von wo aus man freie Sicht hatte. Erneut hallte das Gebäude vom Dröhnen der Explosionen wider. Niemand bemerkte ihn, als er in der nächsten Dachkammer verschwand.
Der Raum war klein und dunkel, jemand hatte vor Kurzem das Bett verlassen. Vor dem Fenster hing ein Verdunklungsvorhang. Im Schrank neben der Tür fand Bryan endlich etwas von dem, was er suchte: ein verblichenes Oberteil, lange Wollstrümpfe und eine weiße Unterhose. Ohne zu zögern öffnete er das Fenster und warf alles hinüber zur nächsten Fichte, die im Schein der Detonationen immer wieder aufleuchtete. Die Strümpfe rutschten gleich von den Ästen und verschwanden auf der falschen Seite des Zauns in der Tiefe.
Bevor Bryan sprang, fragte er sich, ob die Bewohnerin des Zimmers wohl das offene Fenster und die zurückgezogene
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