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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Hügel zu und gab kurz die Aussicht in Fahrtrichtung frei. Die Silhouetten kahler Bäume auf dem Hügelkamm im Süden schienen zu tanzen.
    James war allmählich wieder zu Atem gekommen. Er strich seinem Freund über den Rücken. »Setz dich hin, Bryan. Du bekommst sonst eine Lungenentzündung!«
    Sie klapperten beide vor Kälte mit den Zähnen.
    »Hier draußen können wir nicht bleiben.« Bryan kauerte auf der eisigen Unterlage. »Entweder wir erfrieren hier draußen oder die knallen uns ab, wenn wir durch den nächsten Bahnhof fahren. Wir müssen so schnell wie möglich abspringen.«
    Bryan starrte vor sich hin. Er lauschte dem immer schneller werdenden Rattern des Zuges.
    »Was für eine verdammte Scheiße, das alles«, fügte er dann noch leise hinzu.
    »Bist du verletzt?« James war heiser. Er sah Bryan nicht an. »Kannst du aufstehen?«
    »Ich glaube nicht, dass es mich schlimmer erwischt hat als dich.«
    »Dann ist es doch immerhin ein Segen, dass wir auf einem Lazarettzug gelandet sind. Die Pflegeplätze befinden sich gleich hinter der nächsten Tür«, scherzte James.
    Keiner von beiden lachte. James hob die Hand und rüttelte mit den Fingerspitzen am Türgriff. Die Tür war abgeschlossen.
    Bryan zuckte die Achseln. Das war doch der helle Wahnsinn. »Wer weiß, was sich dahinter verbirgt? Die werden doch sofort auf uns schießen!«
    James wusste, was er meinte. Das Rote Kreuz, das auf deutsches Gerät gemalt war, war schon längst als Finte bekannt. Das Zeichen der Barmherzigkeit war zu oft missbraucht worden, und darum waren auch Transporte mit dieser Kennzeichnung nicht mehr sicher vor feindlichen Bomberpiloten. Das wussten sie nur zu gut.
    Aber wenn das nun tatsächlich ein Lazarettzug war? Es war doch kein Wunder, dass die Deutschen Hass gegen die Piloten der Alliierten hegten. Ihm ging es mit den Männern der Luftwaffe ja nicht anders. Sie alle hatten zu viel auf dem Gewissen, als dass sie noch mit Barmherzigkeit rechnen konnten. Sie alle, die sie an diesem wahnsinnigen Krieg teilnahmen.
    James sah ihn an und Bryan nickte. Wehmut lag in seinem Blick. Bisher hatten sie bei allem verdammt viel Glück gehabt. Damit schien nun Schluss zu sein.
    Der Zug ruckelte, als er über einen Bahnübergang fuhr. Im Halbdunkel sahen sie fünfzig Meter entfernt an der Straße neben dem Bahnwärterhäuschen eine ältere Frau stehen.
    James streckte vorsichtig den Kopf vor und sah nach vorn. Nichts in der ruhigen, von Raureif überzogenen Landschaft verriet, was nach der nächsten oder der übernächsten Kurve kommen würde.
    Aus dem Wageninnern drangen Geräusche. Die Nachtwache machte sich zur Ablösung bereit. Hinter ihnen auf der kleinen Plattform zwischen den zwei Waggons klackte der Riegel im Schloss.
    Bryan tippte James auf die Schulter und zog sich selbst hinter die Tür zurück. Dabei machte er James ein Zeichen, ihm zu folgen.
    In der nächsten Sekunde bewegte sich der Türgriff. Ein sehr junger Mann steckte den Kopf heraus, holte tief Luft und seufzte. Als der Sanitäter auf die Plattform trat, wandte er ihnen den Rücken zu. Der Mann war offenkundig nur zum Pinkeln herausgekommen.
    Als er sich wieder umdrehte, versetzte James ihm einen Schlag ins Gesicht, der ihn taumelnd vom Zug kippen ließ.
    Bryan sah James entsetzt an. Wie oft schon hatten sie mit dem Flugzeug anderen den Tod gebracht   – aber noch nie aus dieser Nähe. James lehnte sich gegen die ruckelnde Waggonwand. »Was hätte ich denn tun sollen, Bryan! Er oder wir!«
    Bryan seufzte. »Wie sollen wir uns jetzt noch ergeben, James?«
    Es wäre eine perfekte Gelegenheit gewesen. Der junge Sanitäter war allein und unbewaffnet gewesen. Aber jetzt war es für Reue zu spät. Die Schwellen sausten unter ihnen hinweg, der Zug schien immer noch mehr Fahrt aufzunehmen.
    Einen Absprung bei dieser Geschwindigkeit würden sie wohl kaum überleben.
    James wandte den Kopf und horchte an der Tür. Dahinter war es ganz still. Aus Schaden klug, wischte er seine Hand sorgfältig an der Hose ab, bevor er nach dem Türgriff fasste. Er legte den Zeigefinger auf die Lippen, zog vorsichtig die Tür einen Spaltbreit auf und steckte den Kopf hinein.
    Dann gab er Bryan ein Zeichen, ihm zu folgen.
     
    Im Wageninnern war es dunkel. Eine Trennwand markierte den Übergang zu einem größeren Raum. Von dort drangen Laute und ein wenig Licht zu ihnen. Unter der Decke hingen prall gefüllte Regale mit Tiegeln, Flaschen, Tuben und Pappschachteln in allen Größen. In der Ecke

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