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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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stand ein Schemel. Es war die Kammer der Nachtwache, des jungen Sanitäters, den sie gerade ins Jenseits befördert hatten.
    Vorsichtig zog James den Reißverschluss seines Fliegeroveralls auf und bedeutete Bryan, dasselbe zu tun.
    Dann standen sie in Hemd und langen Unterhosen in dem Kabuff und warfen alle Bestandteile ihrer Uniformen aus dem Zug.
    Wenn man sie in diesem Aufzug entdeckte, so hofften sie, würde man zumindest nicht sofort auf sie schießen.
    Als sie hinter die Trennwand traten, blieben sie abrupt stehen. Auf engstem Raum zusammengepfercht lagen Dutzende Soldaten in schmalen Stahlbetten oder auf grau gestreiften Matratzen auf dem Fußboden. Dazwischen verlief ein schmaler Streifen nackter Bodenplanken. Es gab nur diesen Gang. Die Gesichter der Männer waren ausdruckslos. Niemand reagierte auf die Neuankömmlinge. Viele trugen noch ihre Uniformen. Demnach war nicht ein einziger Landser dazwischen.
    Der Mief aus Urin und Exkrementen, vermischt mit dem schwachen, süßlichen Geruch von Kampfer und Chloroform, war erstickend. Viele dieser schwer verletzten Männer lallten vor sich hin, aber keiner hatte die Kraft, laut zu klagen. Ungewaschene, dünne Laken waren alles, was sie vor der Kälte schützte.
    Beim langsamen Vorbeigehen nickte James denen zu, bei denen er einen Hauch Lebens zu ahnen meinte. Einer hob seinen Arm ein klein wenig an, als Bryan an ihm vorbeiging, und er versuchte zurückzulächeln. Ein Fuß stak hervor, James wäre beinahe darüber gestolpert. Erschrocken hielt er sich die Hand vor den Mund, als er hinunter zu dem Verwundeten sah. Die Augen des Mannes waren tot. Der Offizier, dessen Hand ein Päckchen Gaze umklammerte, lag vermutlich schon seit Stunden tot auf dem Fußboden. Die Matratze war voll von getrocknetem Blut.
    Die Gazebinde aber war sauber.
    Blitzschnell entwand James dem Toten das Verbandsmaterial und hielt sich die Gaze an sein lädiertes Ohr, die Wunde hatte wieder zu bluten begonnen. In dem Moment hörten sie von dort, wo sie hergekommen waren, ein Rumpeln und Klirren.
    »Komm!«, flüsterte James.
    »Können wir nicht einfach hierbleiben?«, flüsterte Bryan zurück.
    »Bryan, hast du keine Augen im Kopf?«
    »Was meinst du?«
    »Alle Offiziere hier im Wagen tragen das Zeichen der SS.   Alle! Was glaubst du denn, was passiert, wenn wir nicht von Sanitätern, sondern von S S-Leuten entdeckt werden?« Er lächelte betrübt. Dann machte er ein ernstes Gesicht und sah Bryan eindringlich an. »Ich verspreche dir, dass ich uns hier raushole, Bryan. Aber überlass die nächsten Schritte mir.«
    Bryan schwieg.
    »Einverstanden?«, fragte James beharrlich nach.
    »Einverstanden!« Bryan versuchte, ihn anzulächeln.
    Neben seinen Füßen klirrten in einem Eimer verchromte Instrumente. Sie schwammen in einer unbestimmbaren dunklen Soße.
    Alles deutete darauf hin, dass die Söhne Deutschlands, die mit diesem Transport auf deutschen Boden zurückkehrten, schon bald in selbigem begraben werden würden.
    Wenn dies ein gewöhnlicher Lazarettzug war, dann musste an der Ostfront die Hölle los sein.
     
    Im nächsten Wagen leuchteten Glühbirnen über den beiden Reihen mit den Betten, die eng nebeneinander an den Wänden standen.
    James blieb an einem der Betten stehen und kippte das Krankenblatt zu sich. Dann nickte er dem apathisch daliegenden Patienten zu und ging weiter zum nächsten Bett. Er warf einen Blick auf das nächste Krankenblatt und erstarrte. Bryan trat leise zu ihm.
    »Was steht da?«, flüsterte er.
    »Da steht ›Schwarz, Siegfried Anton. Geboren 10.   10.   1907, Hauptsturmführer‹.«
    James ließ das Krankenblatt fallen und sah Bryan an. »Das sind alles S S-Offiziere , Bryan. Auch in diesem Wagen.«
    Einer der nächsten Patienten war offenkundig schon seitStunden tot. Ein findiger Pfleger hatte den verletzten nackten Oberarm des Mannes an einem Stahlgalgen festgebunden, wohl um dem Ruckeln des Zuges entgegenzuwirken. James’ Blick fiel in dessen tätowierte Achselhöhle, und er griff intuitiv nach Bryans Arm.
    Als sie in den nächsten Wagen kamen, spürten sie gleich, dass dort etwas anders war. Die Geräusche waren gedämpfter. Der Türgriff war aus Messing. Die Tür öffnete sich geräuschlos.
    Hier gab es keinen abgetrennten Raum. Einige wenige Lämpchen warfen ihr gelbliches Licht auf zehn parallel aufgestellte Betten. Sie standen so dicht, dass sich die Krankenpfleger wohl nur mit Mühe dazwischenzwängen konnten. Hinter den Kopfenden klirrten die

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