Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
Vom Netzwerk:
die Achseln und sah wieder zu den Schienen.
    Langsam senkte sich die winterliche Abenddämmerung über die Landschaft. Die Schatten in der Talsenke begannen sich zu bewegen. Ein großartiger und erschreckender Anblick zugleich. Schier endlos war die Reihe der Waggons, die wie ein Lindwurm durch die Landschaft glitt und die Front mit dem Vaterland verband.
    In Wellen trug der Wind das Geräusch der gewaltigen Güterzüge zu ihnen. Gepanzerte Lokomotiven, Güterwaggons mit zahllosen Kanonen, Maschinenkanonennester in Sandsackburgen und graubraune verschlossene Mannschaftswagen, aus denen kein Licht drang. Als der erste Güterzug vorbei war, kündigten die Geräusche schon den nächsten an.
    Zwischen den einzelnen Transporten vergingen nur wenige Minuten. Tausende von menschlichen Schicksalen mussten sie bereits passiert haben: die völlig erschöpften Verwundeten nach Westen, die furchtsamen und stillen Reserven nach Osten. Jeden Tag nur einige wenige Bomben auf diese Strecke, und die Russen bekämen eine Verschnaufpause und hätten im Hexenkessel der Ostfront leichteres Spiel.
    Bryans Arme zuckten. James hielt warnend den Finger vor den Mund. Er lauschte. Jetzt konnte es auch Bryan hören. Die Geräusche hinter ihnen kamen von zwei Seiten.
    »Hunde?«
    Bryan nickte.
    »Aber nur in der einen Truppe, oder?« James setzte sich aufrecht hin und lauschte. »Die zweite Truppe ist motorisiert. Das war dieses Brummen, das wir vorhin schon gehört haben. Die müssen da, wo wir über den Graben gesprungen sind, von den Motorrädern abgestiegen sein.«
    »Kannst du sie sehen?«
    »Nein, aber das kann nicht mehr lange dauern.«
    »Was machen wir jetzt?«
    »Was sollen wir schon machen, verdammt?« James ging wieder in die Hocke. »Den Spuren, die wir hinterlassen haben, kann selbst ein Blinder folgen.«
    »Also ergeben wir uns?«
    »Wissen wir denn, was die mit abgeschossenen Piloten anstellen?«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage. Ergeben wir uns?«
    »Wir müssen auf jeden Fall ein Stück raus ins Freie, damit die uns sehen können.«
    Als Bryan James in Richtung der Talsenke folgte, spürte er den beißenden Wind. Nach einigen schnellen Schritten befanden sie sich auf offenem Gelände, wo sie mit erhobenen Händen ihren Verfolgern zugewandt stehen blieben.
    Zunächst geschah gar nichts. Die Rufe verstummten. Die Bewegungen vor ihnen stoppten. James flüsterte leise, die Soldaten seien vielleicht hinter ihnen vorbeigegangen, und ließ die Arme etwas sinken.
    Im selben Moment wurde das Feuer auf sie eröffnet.
    Doch die schlechte Sicht war ihre Rettung. Blitzschnell hatten sich die beiden auf den Boden fallen lassen. Sie starrten sich ungläubig an: Sie waren beide unverletzt.
    Sofort setzte sich Bryan robbend in Richtung Bahngleise in Bewegung. Immer wieder sah er über die Schulter zurück zu James, der auf Knien und Ellbogen hinter ihm herkroch. Die Wunde am Ohr war wieder aufgeplatzt, sie hinterließ kleine rote Flecken auf dem verharschten Schnee.
    Mehrere kurze Maschinengewehrsalven zerfetzten die Luft über ihnen. Dann hörten sie wieder die Rufe der Soldaten.
    »Jetzt lassen sie die Hunde los«, stöhnte James und packte Bryans Fuß. »Kannst du losspurten?«
    »Und wohin?« Bryan wurde heiß und kalt. Sein Magen krampfte sich zusammen.
    »Rüber zu den Schienen. Da kommt gerade kein Zug.« Bryan hob den Kopf und ließ den Blick an der langen, verräterisch offenen Strecke entlangwandern. Und was dann?
    Als eine längere Maschinengewehrsalve verstummte, rappelte James sich auf und packte Bryan. Die Böschung war halsbrecherisch steil, vor allem mit völlig tauben Füßen, die in steifen Stiefeln steckten. Die Projektile flogen dicht über ihre Köpfe.
    Auf einem Stück zweihundert Meter weiter unten sah sich Bryan kurz um. James rannte mit gespreizten Fingern und in den Nacken gelegtem Kopf hinter ihm her. Er sah aus, als wären alle seine Gelenke eingefroren. Hinter ihm rutschten die Soldaten das erste steile Stück der Böschung auf dem Rücken hinunter. Währenddessen wurde nicht geschossen. Als das Feuer wieder einsetzte, zielten ihre Verfolger völlig wahllos, aber immer an ihnen vorbei. Waren diese Schweine etwa müde? Oder wollten sie den Hunden die restliche Arbeit überlassen?
    Jedenfalls ließen sie sie jetzt von der Leine, und die aufs Töten abgerichteten Hunde schossen lautlos und ohne zu zögern los.
    Als Bryan den Rand der Böschung erreichte, blickte er sich im fahlen Licht der Dämmerung um.
    Da

Weitere Kostenlose Bücher