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Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
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auszutauschen. Welche Freundin also?
    Ella, teilte ihm seine Frau knapp mit. Er kannte keine Ella. Aber er kannte viele Leute nicht, mit denen Carla zu tun hatte. Oder vielleicht kannte er sie auch und konnte sich nur nicht mehr erinnern. Das passierte ihm dauernd. Carla lächelte dann, flüsterte ihm die richtigen Namen ins Ohr und drückte seine Hand mit den Worten: Das nächste Mal schreiben wir dir alles in Notenschrift auf und ordnen jedem ein Instrument zu. Sie hielt es für einen Spaß, aber er wusste, dass er sich so die Leute würde merken können. Er konnte mit Leichtigkeit nach nur einem Tag mit einem neuen Orchester jedes Gesicht dem Instrument zuordnen.
    Diesmal lächelte Carla nicht, erinnerte ihn nicht, woher er diese Ella kennen müsste. Sie hatte schon lange nicht mehr gelächelt, ein halbes Jahr nicht mehr, aber das würde sich geben. Zeit, hatte der Psychiater gesagt, Zeit ist der Schlüssel.
    Frederik war froh, dass er viel unterwegs war. Dann vergaß er manchmal sogar für mehrere Tage, wie sich Carla verändert hatte. An seine Tochter dachte er kaum. Er hatte deshalb keine Schuldgefühle, bei Junior war es dasselbe gewesen. Frederik konnte mit kleinen Kindern nichts anfangen. Er freute sich auf die Zeit, in der Felicitas endlich sprechen gelernt hatte. Freute sich darauf, ihr ein Instrument beizubringen. Junior hatte leider wenig Sinn für Musik, er ging voll und ganz in technischem Kram auf, bastelte und experimentierte ständig, aber vielleicht kam es ja noch, vielleicht war es bei Jungs in dem Alter so. Frederik konnte sich kaum daran erinnern, was er in Juniors Alter gemacht hatte. Klavier gespielt, ja. Aber sonst? Bestimmt hatte er auch dann und wann irgendwas gebastelt, nur fiel es ihm gerade nicht ein. Junior musste auch kein Berufsmusiker werden. Eigentlich war es sogar ganz gut, wenn er etwas anderes machte, entschied Frederik, und es war das erste Mal, seit Junior auf der Welt war, dass Frederik so über die Zukunft seines Sohns dachte. Ja, es war ganz gut, man würde ihn sonst immer nur an seinem Vater messen. Erstaunt darüber, wie entspannt er sich mit einem Mal fühlte, sah sich Frederik nach Junior um. Er fand ihn in dessen Zimmer, wo er an seiner Modelleisenbahn herumbaute. Er lächelte seinem Sohn zu, setzte sich ein paar Minuten zu ihm und ließ sich die Landschaft aus kleinen Bergen und Seen zeigen, die Bauernhäuser mit den Kühen und Schafen, die liebevollen Einzelheiten, an denen Junior seinen Spaß hatte. Dann ging er in sein eigenes Zimmer, setzte sich an den Flügel, spielte aber nichts, denn gleich würden die Gäste kommen.
    Junior. Ein guter Junge. Manchmal vermisste er ihn, wenn er unterwegs war, das schon, aber Felicitas vermisste er noch nicht. Bald würde er sie sicher vermissen. Und nicht mehr lange, dann würde Carla auch wieder lächeln, und der ganze Spuk wäre vorbei. Zeit, hatte der Psychiater gesagt. Zeit.
    Ein paar Minuten später begrüßte er Peter und Miriam. Sie waren die Ersten. Seine Eltern hatten bereits vom Hotel aus angerufen, sie wohnten immer im Hotel, sie sagten, sie fühlten sich zu sehr wie Eindringlinge in der Villa von Carlas Eltern, sie hatten Beklemmungen in den weitläufigen Gästezimmern, die größer waren als ihr Zuhause in Frankfurt. Sie sagten immer noch: die Villa von Carlas Eltern, nie: euer Haus, oder: Carlas Villa. Diese Ella fiel ihm wieder ein, aber nur kurz, denn Peter erzählte gerade von dem Neujahrskonzert, das er für den Beginn der neuen Dekade plante; natürlich wollte er, dass Frederik bei ihm auftrat, und Frederik holte seinen Terminkalender, um es sich mit Bleistift und einem Fragezeichen einzutragen. Das alles musste mit seinem Agenten und seiner Plattenfirma besprochen werden, Freundschaft hin oder her. Höflich erkundigte er sich bei Miriam nach deren Rollen, die Ärmste hoffte noch immer, eines Tages die Lucia di Lammermoor singen zu dürfen, und ihr Mann hatte ihr immer noch nicht gesagt, dass er das für keine gute Idee hielt. Wahrscheinlich redete er sich jede Spielzeit aufs Neue damit heraus, der Intendant hätte keinen Sinn für Donizetti. Was sich Miriam nur dachte, die kleine, dicke Mi riam, sie als Lucia, aber Frederik sagte natürlich nichts, er wechselte nur einen heimlichen Blick mit Peter, als Miriam aufstand, um Sally mit Kaffee und Kuchen zu helfen.
    Eine halbe Stunde später trafen seine Eltern ein, Sally hatte Junior und Felicitas heruntergeholt, alle bestaunten höflich das Kind und reichten

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