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Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
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Geschenke, nur Carla fehlte, Carla und diese Ella. Er wurde nach Carla gefragt, er reichte die Frage an Sally weiter, die nur schulterzuckend mit dem Zeigefinger an die Decke deutete, was wohl so viel heißen sollte wie: Sie ist immer noch oben. Er bat Sally irgendwann, nach ihr zu sehen, vergaß dann aber wieder, dass er sie geschickt hatte, weil er mit seinen Eltern sprach, und dann zupfte Peter ihn am Ärmel und zog ihn zur Seite.
    Was ist mit ihr, fragte Peter, und Frederik dachte, er meine Carla, aber er fragte wegen Felicitas. Nicht, dass ich mich mit Kindern auskenne, sagte Peter, aber irgendwie sieht sie ein bisschen ungesund aus, ist sie…Er beendete den Satz nicht, das Unausgesprochene blieb in der Luft hängen, das Unaussprechliche, vor dem sich Frederik schon die ganze Zeit verschloss. Zurückgeblieben, wollte Peter wohl sagen. Behindert.
    Sally sprach Frederik immer wieder darauf an, wenn er in Berlin war. Wenn er zu Hause war, korrigierte er sich, wie so oft. Wenn er zu Hause war, sprach Sally ihn auf seine Tochter an. Der Arzt meinte, das Kind habe Mangelerscheinungen, eine besondere Ernährung war der Kleinen verordnet worden, aber noch hatte sich keine Besserung abgezeichnet. Fehlende Mutterliebe, war Sallys Diagnose. Sie sterben, wenn sie keine Mutterliebe bekommen, behauptete Sally.
    Zu Peter sagte er nur: Eine kleine Unpässlichkeit, sie steht unter ärztlicher Aufsicht, keine Sorge, wir kümmern uns um alles.
    Kein Wort zu niemandem über Carlas Zustand. Nicht mal zu seinen Eltern, nicht zu seinen besten Freunden. Sie hatten verabredet, dass sie sich an diesem Tag zusammennehmen würde. Sie würde es schaffen, sie hatte sich immer unter Kontrolle, wenn sie in Gesellschaft war, darauf zählte er.
    Wenig später wurde ihm Ella vorgestellt. Carla war zu der kleinen Gesellschaft gestoßen, eine große, schlanke Frau folgte ihr. Carla war schon sehr groß, er liebte große Frauen, aber diese Ella überragte sie trotz flacher Schuhe um fünf Zentimeter. Ihrer Kleidung nach war sie weder ein Geschäftskontakt noch eine von Carlas üblichen Bekannten. Sie entsprach mehr dem Bild, das Frederik von den Künstlern hatte, die zwar einerseits wichtiger Bestandteil von Carlas Geschäft waren, andererseits aber doch eher eine Nebenrolle spielten. Denn wer berühmt wurde und wer nicht, wer Geld einbrachte und wem man besser keine unnötige Aufmerksamkeit schenkte, das entschieden Menschen wie Carla, indem sie unter sich blieben.
    Er konnte sich nicht erklären, was eine Künstlerin hier zu suchen hatte, warum sie die Freundin seiner Frau sein sollte und warum er sie noch nie im Leben gesehen hatte. Er bekam Angst, echte Angst, dass Carla nun vollkommen den Verstand verloren hatte. Etwas geplant hatte, um sich und ihn zu blamieren.
    Zwei Stunden später atmete er ganz entspannt und hatte sogar gute Laune. Diese Ella war der reinste Engel. Sie war eine bekannte Fotografin, wie sich herausstellte – er kannte sie nicht, aber das hieß nichts. Carla hatte kaum ein Wort gesagt, sagen müssen, denn Ella hatte die kleine Gesellschaft mühelos unterhalten. Hatte mit seinen Eltern über deren Heimatstadt Frankfurt am Main geplaudert. Hatte Peter und Miriam über ihre musikalische Vergangenheit ausgefragt. Hatte Carla sogar dazu gebracht, die Kerze auf Felicitas Geburtstagskuchen auszupusten. Nur Frederik wusste, wie viel Überwindung es sie gekostet haben musste. Auch Junior lachte und scherzte mit der Frau, stellte ihr ungeniert Fragen zu ihren roten, rissigen Händen, die sie unbekümmert beantwortete. Und jetzt machte sie Fotos, ebenso ungezwungen und heiter, wie sie geplaudert hatte. Niemand störte sich daran, niemand verweigerte sich ihr. Frederik beobachtete, wie Miriam sie zur Seite nahm und um einen Termin wegen neuer Fotos bettelte. Die Verhandlungen schienen schwieriger zu laufen als erwartet, denn Miriam hängte sich eine halbe Minute später an den Arm ihres Mannes und zerrte ihn zu Ella. Sie war teuer, so viel verstand Frederik. Er ging ganz nah an Peter vorbei, wie zufällig, und raunte ihm ins Ohr: Lucia di Lammermoor.
    Schon war Peter bereit, jede Summe für die neuen Fotos seiner Frau zu zahlen. Frederik unterdrückte ein Grinsen und ging zu Carla, die neben Junior auf dem Sofa saß und sich mit seiner Mutter unterhielt.
    Er legte den Arm um sie und küsste ihre Wange. Sie lächelte, endlich, und er war dieser Ella unendlich dankbar. Vielleicht würde sie dafür sorgen, dass Carla aufhörte, in der

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