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Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
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glaube – und wehe, du lügst mich an! –, ich glaube, du warst in Edinburgh bei dieser Teufelsbraut, und deine Alte wusste nicht mal, dass du in der Stadt warst! Na? Hab ich recht, oder hab ich recht?«
    Teufelsbraut, oh ja. »Wann gehen wir essen?«
    Brady reckte jubelnd die Fäuste in die Luft. »Heut nach Feierabend? Kumpel, ich hab echt richtig Lust auf saftige Pizza. Und du bist bis dahin bestimmt halb verhungert, hast ja schon das Mittagessen verpennt.«
    »Also dann. Wo hol ich dich ab?«
    Der Sicherheitsbeamte nannte ihm eine Adresse in Easington Village. Dort, wo die Mittelschicht wohnte. Zwei Einkommen, weil seine Frau auch arbeitete, und ein bisschen geerbtes Geld hatten es ihnen möglich gemacht. Ben war sehr gespannt auf seine Frau, über die jeder, der mit Brady zu tun hatte, nur die schlimmsten Geschichten kannte.
     
    So schnell kann es gehen, dachte Ben, als er wieder alleine war. Über Brady könnte er vielleicht etwas in Erfahrung bringen, was die Stromversorgung der Alarmsicherung anging. Vielleicht sogar mehr, wenn sie nach dem Essen einen ordentlichen Zug durch die Pubs in Durham machten, und Pubs hatte Durham als Studentenstadt wahrlich genug.
     
    Als Andrew Chandler-Lytton mit seiner Aktentasche unterm Arm auf Ben und den Mercedes zugeschlendert kam, reagierte Ben mit zwei Sekunden Verzögerung. Hastig klappte er das Fotoalbum zu und öffnete eilig seinem Chef die Wagentür.
    »Na, was Spannendes gelesen?«, fragte Chandler-Lytton jovial.
    »Oh nein, Sir. Ich habe mir Bilder angesehen. Entschuldigen Sie, Sir. Nach Hause?«
    »Nach Hause.« Er nickte und schnallte sich gewohnt umständlich an. Er hasste Sicherheitsgurte, wie er Ben jedes Mal leise fluchend erklärte. »Bilder, so, so. Hoffentlich nichts, was uns in Schwierigkeiten bringen könnte.« Er lachte.
    »Nein, Sir. Natürlich nicht. Nur Familienfotos. Sehr alte.« Ben startete den Motor und lenkte den Wagen aus der Garage.
    »Ihre Familie?«
    »Die einer Freundin. Sie hat das Album geschenkt bekommen. Als Erinnerung, weil ihre Mutter schon sehr lange tot ist.« Er riskierte einen kurzen Blick in den Rückspiegel, um zu sehen, ob Chandler-Lytton noch zuhörte oder schon wieder bei seinem Diktiergerät war. Er hörte offenbar noch zu, sah aus dem Fenster, lächelte.
    »Ja, so was gibt es heute gar nicht mehr. Kein Mensch macht mehr echte Fotos. Man lädt alles ins Internet. Ich frage mich immer, ob nicht eines Tages das ganze Internet einfach aufhört zu existieren. Wutsch und weg. Und was dann passiert. Eine ganze Generation wird ihrer Identität beraubt, hat keine Facebook-Freunde mehr, keine Bilder, nichts!« Chandler-Lytton schien dieser Gedanke zu gefallen. »Wissen Sie, Ben, wenn meine Töchter zum Beispiel ihr Handy verlieren, können sie niemanden mehr anrufen, weil sie keine einzige Telefonnummer auswendig wissen. Da fängt es schon an, nicht wahr? Und wenn dann alle ihre paar hundert Freunde in diesen Social Networks plötzlich verschwinden würden, ich glaube, sie wüssten nicht einmal, wie sie diese Leute in der realen Welt finden sollen.« Wieder lachte er.
    »Meine Bekannte wusste nicht einmal, dass ihre Mutter Geschwister hatte«, sagte Ben. »Dabei gab es eine Schwester und einen Bruder. Einen behinderten Bruder. Sie hat nie ein Wort darüber verloren.« Wieder ein Blick in den Rückspiegel. Chandler-Lytton war noch bei ihm, sah immer noch aus dem Fenster. Kein Diktiergerät, keine Akten auf den Knien.
    »Ja, ja…Manche Leute reden nicht gerne über ihre Verwandtschaft…Schon gar nicht, wenn es um Krankheiten geht…« Er wirkte etwas nachdenklich, aber nicht unbedingt betrübt.
    Ben machte weiter: »Also ihre Mutter – Sie sagen mir, wenn ich Sie langweile, Sir? –, ihre Mutter lebte eine Zeit lang im Ausland. Nicht mal davon hat sie ihrer Tochter erzählt. Was glauben Sie, wie glücklich sie war, als dann dieses Fotoalbum auftauchte. Da hat sie zum ersten Mal die ganze Garner-Familie gesehen.« Ben tat so, als müsse er sich gerade schrecklich auf den Verkehr konzentrieren. Er wollte, dass der Name einsank. Deshalb murmelte er: »Fahr doch, Opa!«, und tat so, als regte ihn der Fahrer vor ihm schrecklich auf.
    »Garner? Darf ich mal das Album sehen?« Er streckte die Hand nach vorne.
    Ben tat so, als bemerkte er es nicht. »Garner, ja. Kommen hier aus der Gegend, jedenfalls wohnt die Tante unten in Darlington«, plauderte er.
    »Geben Sie mir das Album«, sagte Chandler-Lytton, und diesmal klang es mehr wie ein

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