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Das alte Kind

Das alte Kind

Titel: Das alte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
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darüber, dass er nicht über Nacht blieb und seinen Job einfach sausen ließ. Sie hatten doch jetzt alles von Chandler-Lytton, was sie brauchten. Und Ben könnte sich eine Arbeit in Edinburgh suchen. Klar, er verschwieg ihr den wahren Grund, das wusste sie, aber sie konnte nicht behaupten, dass sie sich sehr dafür interessierte. Sie wollte, dass er bei ihr blieb und sich um sie kümmerte, alles andere war ihr egal.
    Warum sie ausgerechnet so sehr an Ben hing, lag vielleicht an dem Widerstand, den er leistete, vielleicht daran, dass er nur ein einziges Mal mit ihr geschlafen hatte und danach nicht wiedergekommen war, um mehr davon zu bekommen, sondern sie bei jedem darauffolgenden zufälligen (oder von Fiona provozierten) Treffen wie einen Menschen behandelt hatte, für den er sich aufrichtig interessierte. Nicht »Fiona, lass es uns hier treiben«, nicht »Fiona, du bist so verrückt cool«. Sondern: »Wie geht es dir?«, »Hast du deinen Vater mal wieder gesehen?«, »Soll ich dir ein Taxi holen, du siehst müde aus?«.
    Er hatte sie damals geküsst, einfach so, und er hatte sich dafür entschuldigt. Hatte ihr sofort von seiner Freundin erzählt (und warum es nicht so lief, wie es eigentlich laufen sollte), hatte ihr gesagt, dass er sie sehr schätze und nicht vorhabe, sie zu betrügen. Hatte sie trotzdem betrogen und sich hinterher bei ihr sogar entschuldigt. Hatte gesagt: »Ich darf dir nie wieder so nahekommen«, und sich daran gehalten, obwohl Fiona ihm so manche Gelegenheit gegeben hatte, seinen Vorsatz zu brechen. Was auch immer der Grund für ihre Gefühle sein mochte, es änderte nichts daran, dass sie zum ersten Mal seit langer Zeit (seit der Schulzeit, um genau zu sein) richtig ernsthaft verliebt war.
    Offenbar in den Falschen.
    Am Dienstag hatte sie ihn zuletzt gesehen. Auch wenn er nichts gesagt hatte, so ging sie doch davon aus, dass er sie am Wochenende besuchen würde. Er rief jeden Tag kurz an, um zu hören, ob alles mit ihr in Ordnung war. Manchmal rief er sogar zweimal an, mittags und abends. Seine Anrufe änderten nichts an ihrer Angst, die ihr Tag und Nacht überallhin folgte, aber sie gaben ihr das wohlige Gefühl, von jemandem vermisst zu werden, falls ihr etwas zustoßen sollte.
    Sie verbrachte die Tage in der Galerie. Sie schlief in Rogers Haus, weil sie sonst niemandem ihr Leben anvertrauen würde. Isobel Hepburn hatte ihr nebenbei erzählt, dass sein Alibi für den Mord an Mòrag bestätigt worden war: Er hatte mit zwei anderen Lehrern der Privatschule, die er leitete, die Zukunft eines verhaltensauffälligen Jungen diskutiert. Ein Alibi so langweilig wie Rogers Leben. Sie hätte sowieso nie gedacht, dass er etwas damit zu tun haben könnte. Roger hätte wohl kaum Mòrag mit ihr verwechselt.
    Am Wochenende rief Ben wieder an. Er sagte, er sei zwar in Edinburgh, habe aber keine Zeit. Er müsse sich mit Cedric Darney besprechen, außerdem habe er Nina versprochen, sich mit ihr zu treffen. Sobald die Ergebnisse da seien, würde er sich wieder melden. Wann genau es so weit sein würde, wusste er nicht.
    Fiona litt entsetzlich. Unter der Unwissenheit und der Angst und der Einsamkeit. Sie freute sich sogar schon über die Besuche von Isobel Hepburn, die manchmal in der Galerie aufkreuzte und erzählte, wie der Stand der Ermittlungen war: Sie hatten Zeugen gefunden, die sich an Mòrag und ihren auffälligen Mantel erinnern konnten. Aber sie konnten sich nicht an eine Frau erinnern, die ihr gefolgt wäre oder die ihr ähnlich gesehen hätte. (Somit gab es keine Bestätigung der Verdachtsmomente gegen Fiona, wie Hepburn etwas gestelzt erklärte.) Überhaupt gab es niemanden, der gesehen hätte, dass Mòrag die Scotsman-Treppe genommen hatte. Oder dass ihr jemand gefolgt war. Auch die Resultate der Spurensicherung – ein paar Fäden hier, ein paar Faserspuren da – brachten die Ermittlungen nicht weiter. Die Zeitungen berichteten über den Fall, schrieben aber nichts davon, dass es sich um eine Verwechslung gehandelt haben könnte. Isobel Hepburn forschte nicht nur in Mòrags, sondern auch in Fionas Vergangenheit, ließ sich immer neue Namen geben, von ehemaligen Liebhabern bis hin zu flüchtigen Partybekanntschaften, von früheren Studienkollegen bis hin zu Kunden, die zufällig in der Galerie aufgekreuzt waren und aus irgendeinem Grund ihren Namen hinterlassen hatten. Die Polizistin klammerte sich an je den Strohhalm, und Fiona war froh um die Ablenkung. Irgendwie hatte es etwas Beruhigendes,

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