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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Arme des Windes und hinauf durch die Gischt des Wasserfalls, als wäre er nicht mehr als eine federleichte Frühlingsblume. Und dann segelte er hinaus zum Himmel.
    Es war still und kalt in mehr als tausend Fuß Höhe. Der Himmel war klar, von winzigen Wolkenfetzen abgesehen, und mühelos glitt der Papiersegler vom Wind getrieben dahin. Sabriel lehnte sich entspannt im Hängemattensitz zurück und ging immer wieder die neu erlernten Chartersymbole durch, um sich zu vergewissern, dass sie sich der Zeichen sogar im Schlaf bedienen könnte. Sie fühlte sich frei und irgendwie sauber, als wären die Gefahren der letzten Tage nichts als Schmutz gewesen, von dem der Wind sie jetzt rein wusch.
    »Dreh ein bisschen mehr nach Norden«, riss Moggets Stimme sie plötzlich aus ihrer Unbeschwertheit. »Erinnerst du dich an die Karte?«
    »Ja«, versicherte ihm Sabriel. »Sollen wir dem Fluss folgen? Es ist der Ratterlin, habe ich Recht? Er fließt hauptsächlich nach Nordnordosten, nicht wahr?«
    Mogget antwortete nicht sofort, obwohl Sabriel seinen schnurrenden Atem dicht hinter sich hörte. Er schien nachzudenken. Schließlich antwortete er: »Warum nicht? Wir können ihm genauso gut bis zum Meer folgen. Er bildet dort ein Delta, wo wir über Nacht auf einer Insel lagern können.«
    »Warum fliegen wir nicht einfach weiter?«, schlug Sabriel munter vor. »Wenn ich die stärksten Winde rufe, könnten wir morgen Abend bereits in Belisaere sein.«
    »Der Papiersegler fliegt nicht gern bei Nacht!«, antwortete Mogget schroff. »Ganz zu schweigen davon, dass du die Kontrolle über die stärksten Winde verlieren würdest – sie zu beherrschen ist viel schwieriger, als es anfangs scheint. Außerdem ist der Papiersegler viel zu auffällig. Hast du denn keinen gesunden Menschenverstand, Abhorsen?«
    »Nenn mich Sabriel«, entgegnete sie ebenso schroff. »Mein Vater ist Abhorsen.«
    »Wie du wünschst, Gebieterin.« Aus Moggets Mäulchen klang die Anrede sehr herablassend.
    Die nächste Stunde verging in beinahe feindseligem Schweigen. Doch in ihrer Freude an dem neuen Erlebnis des Fliegens schwand Sabriels Ärger rasch. Das unregelmäßige Schachbrettmuster der Felder, Wälder und Wiesen unter ihnen, der dunkle Streifen des Flusses, das eine oder andere vereinzelte Bauwerk – dies alles begeisterte sie. Alles war so klein und schien aus dieser Höhe so vollkommen.
    Dann ging die Sonne unter. Obwohl ihr verschwommenes Rot das Bild, das sich von oben bot, noch verschönte, spürte Sabriel das Bedürfnis des Papierseglers, sich am Boden auszuruhen, und sie bemerkte, dass die gelben Augen sich auf die grüne Erde richteten, nicht auf den blauen Himmel. Je länger die Schatten wurden, desto mehr empfand auch Sabriel diesen Wunsch und sie hielt Ausschau nach einem Landeplatz.
    Der Fluss teilte sich bereits in die unzähligen Arme auf, die das sumpfige Ratterlin-Delta bildeten, und weit in der Ferne vermochte Sabriel die dunkle Weite des Meeres zu erkennen. Es gab viele Inseln in diesem Delta; manche waren so groß wie Fußballplätze und mit Bäumen und Sträuchern bewachsen, andere dagegen nur Schlammpfützen mit einem Durchmesser von zwei Armlängen. Sabriel wählte eine Insel mittlerer Größe und in Rautenform, die von gelblichem Gras überwuchert war und ein paar Meilen voraus lag. Sie pfiff, um den Wind zu schwächen.
    Gehorsam ließ er nach, und der Papiersegler ging tiefer, meist von Sabriels Pfeifen gelenkt; hin und wieder bestimmte er die Richtung auch selbst, indem er eine Schwinge schräg legte. Seine gelben Augen und die dunkelbraunen Augen Sabriels waren auf den Boden unter ihnen gerichtet. Nur Mogget blickte nach hinten und nach oben.
    Trotzdem sah er ihre Verfolger nicht, bevor sie aus dem Sonnenschatten schossen. Sein Jaulen warnte Sabriel deshalb erst, als die Angreifer sie fast schon erreicht hatten. Sabriel konnte sich gerade noch umdrehen, um unzählige schwirrende Wesen wahrzunehmen, die zu ihnen herabtauchten. Instinktiv rief sie sich Chartersymbole ins Gedächtnis und pfiff mit spitzem Mund den Wind zurück, damit er sie nach Norden bringe.
    »Blutkrähen!«, zischte Mogget, als die flatternden Kreaturen ihren Tauchkurs abbrachen und wendeten, um ihre plötzlich aufmerksam gewordene Beute zu verfolgen.
    »Ja!«, rief Sabriel, obwohl sie nicht wusste, warum sie antwortete. Sie konzentrierte sich auf die Blutkrähen, um festzustellen, ob die Wesen ihnen den Weg abschneiden wollten oder nicht. Sie spürte bereits, dass

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