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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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schaffte es. Nur – der Zauber funktionierte nicht. Der Wind wurde noch stärker und verlagerte die Richtung immer mehr, bis sie geradewegs nach Norden brausten, in Richtung Spange.
    Mit tränenden Augen, laufender Nase und frierendem Gesicht stemmte Sabriel sich gegen den Hängemattensitz und versuchte noch einmal, mit den Chartersymbolen und ihrer ganzen Willenskraft den Wind zu beschwören. Doch das Pfeifen kam nur schwach über ihre Lippen und die Chartersymbole versanken wieder im Wind, der sich zu einem gewaltigen Sturm entwickelt hatte. Sabriel musste einsehen, dass sie völlig die Kontrolle verloren hatte.
    Tatsächlich hatte es fast den Anschein, als hätte der Zauber die entgegengesetzte Wirkung. Der Sturm wurde noch schlimmer; er riss den Papiersegler in einer gewaltigen Spirale in die Höhe, als würde er von einer Gruppe Riesen, von denen einer größer war als der andere, als Spielball benutzt. Sabriel wurde schwindelig. Sie fror noch heftiger und atmete schneller und flacher, damit sie mit der Luft auskam. So viel Atem, dass sie es geschafft hätte, noch einmal zu pfeifen, blieb ihr gar nicht. Die Chartersymbole entglitten ihrem Gedächtnis und sie konnte sich nur noch verzweifelt an ihren Hängemattensitz klammern, während der Papiersegler sich im wütenden Wind zu halten versuchte.
    Übergangslos endeten Sturm und Aufwärtstanz, und der Papiersegler stürzte abrupt in die Tiefe. Sabriel wurde wie in einem Wirbel nach oben gezogen, doch die Riemen hielten sie fest. Mogget krallte sich an den Rucksack, um nicht aus dem Flugzeug gerissen zu werden. Sabriel bemühte sich nun abermals, ihre Erschöpfung zu überwinden und dem Aufwind zu pfeifen, doch es überstieg ihre Kraft. Der Papiersegler schien seinen Sturzflug nicht aufhalten zu können. Sein Bug neigte sich immer mehr, bis sie fast senkrecht fielen, wie ein Hammer, der auf den Amboss schlägt.
    Es war ein langer Weg nach unten. Sabriel schrie; dann aber versuchte sie die Kraft, die die Angst ihr verlieh, in den Papiersegler zu leiten. Doch die Symbole flossen wirkungslos in ihrem Pfiff, von einem fast unmerklichen goldenen Funkeln abgesehen, das flüchtig ihr weißes, vom Wind gefrorenes Gesicht erhellte. Die Sonne war bereits untergegangen, und die dunkle Masse am Boden sah bedrohlich wie der graue Fluss des Todes aus, in den ihr und Moggets Geist in wenigen Minuten stürzen würden, um nie wieder ins warme Licht des Lebens zurückzukehren.
    »Öffne mein Halsband«, maunzte eine Stimme an Sabriels Ohr, gefolgt von einem ungewöhnlichen Gefühl, als Mogget seine Krallen in ihre Rüstung grub, während er auf ihren Schoß kletterte. »Öffne mein Halsband!«
    Sabriel starrte ihn an, dann den Boden, schließlich sein Halsband. Sie fühlte sich benommen vom Mangel an Sauerstoff und konnte sich nicht entscheiden. Das Halsband war Teil eines uralten Bannes, ein schrecklicher Wächter ungeheurer Macht. Man benutzte es nur, um etwas unbeschreiblich Böses oder eine unkontrollierbare Kraft festzuhalten.
    »Vertrau mir!«, jaulte Mogget. »Öffne mein Halsband und denk an den Ring!«
    Sabriel schluckte, schloss die Augen und nahm sich das Halsband vor, wobei sie betete, dass sie das Richtige tat. Vater, vergib mir!, flehte sie stumm, doch es war nicht nur ihr leiblicher Vater, an den sie sich wandte, sondern alle Abhorsen, die vor ihr gewesen waren – vor allem der, welcher vor so langer Zeit das Halsband gefertigt hatte.
    Auf für einen so alten Zauber überraschende Weise spürte sie nur ein Kribbeln, als sie das Halsband öffnete. Dann hatte sie es in der Hand, und es war schwer wie Blei oder eine Kette mit Kugel. Sabriel ließ es beinahe fallen. Dann aber wurde es wieder leicht und schien sich langsam in nichts aufzulösen. Als Sabriel die Augen öffnete, hatte das Halsband zu existieren aufgehört.
    Mogget saß noch auf ihrem Schoß und wirkte unverändert – doch plötzlich begann er in einem inneren Licht zu glühen und dehnte sich dabei aus, bis er an den Rändern auszufransen schien, während das Licht immer stärker wurde. Binnen Sekunden gab es die Katzengestalt nicht mehr, nur einen Schein, der zu grell war, als dass man darauf blicken konnte. Mogget schien einen Moment zu zögern, und Sabriel spürte den inneren Kampf zwischen seiner auf sie gerichteten Angriffslust und seinem Ringen um Selbstbeherrschung. Fast nahm er wieder die Katzengestalt an; dann aber spaltete er sich in vier Schäfte von blendendem Weiß. Einer schoss nach vorn,

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