Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
Vom Netzwerk:
sie die Kontrolle über den Wind verlor, genau so, wie Mogget es vorhergesagt hatte. Ihn kräftiger wehen zu lassen könnte unangenehme Folgen haben. Doch sie fühlte auch die Gegenwart der Blutkrähen, deren verrotteten, skelettartigen Gestalten eine Mischung aus Tod und Freier Magie Leben verlieh.
    Blutkrähen hielten es in Sonne und Wind nicht lange aus; die flatternden Kreaturen, die sich dem Segler näherten, mussten bereits in der vergangenen Nacht belebt worden sein. Ein Nekromant hatte ganz normale Krähen eingefangen, sie mit Ritual und Zeremonie getötet und dann ihre Kadaver mit dem gebrochenen, in unzählige Teile zersplitterten Geist eines einzigen Toten belebt, Mann oder Frau. Jetzt waren sie wahrhaftig Aasfresser, allesamt von einem einzigen, wenngleich stumpfsinnigen Geist geleitet. Sie flogen durch die Kraft Freier Magie und töteten durch ihre Übermacht.
    Obwohl Sabriel den Wind schnell gerufen hatte, kam der Schwarm rasch näher. Die Blutkrähen waren von hoch oben heruntergetaucht und behielten ihre Geschwindigkeit bei, obwohl der Wind ihnen das Gefieder und das faulige Fleisch von den durch Zauber gebannten Knochengerüsten zerrte.
    Einen Augenblick überlegte Sabriel, ob sie den Papiersegler nicht wie einen Racheengel mit Schwert und Glocken mitten in diese Krähenmasse steuern sollte. Doch um gegen die Kreaturen zu kämpfen, waren es zu viele, vor allem, wenn man von einem dahinbrausenden Flugzeug mehrere hundert Fuß über dem Boden gegen sie antreten musste. Ein zu schneller Schwertstoß könnte zu einem Absturz mit tödlichen Folgen führen, falls die Blutkrähen sie nicht schon während des Sturzes töteten.
    »Ich muss einen stärkeren Wind beschwören!«, rief sie Mogget zu, der jetzt mit aufgestelltem Fell auf ihrem Rucksack saß und den Krähen Herausforderungen entgegenfauchte. Sie waren inzwischen sehr nahe und flogen in gespenstisch exakter Formation – zwei lange Linien, wie ausgestreckte Arme, die den fliehenden Papiersegler vom Himmel reißen wollten. Nur ein Bruchteil ihres einst so schwarzen Gefieders hatte den Tauchflug überstanden. Nun waren im letzten Licht der Sonne weiße Knöchelchen sichtbar. Doch ihre Schnäbel waren unversehrt, glänzend schwarz und messerscharf, und Sabriel konnte das rote Schimmern des zersplitterten toten Geistes in ihren leeren Augenhöhlen erkennen.
    Mogget antwortete nicht. Vielleicht hatte er Sabriels Worte über seinem Fauchen und dem Krächzen der Blutkrähen nicht gehört, die nun die letzten paar Meter bis zum Angriff zurücklegten. Ihr Krächzen war ein gespenstischer, hohler Laut, so tot wie ihr Fleisch.
    Vor Entsetzen vermochte Sabriel ihre trockenen Lippen anfangs nicht zu spitzen, doch als sie sie befeuchtete, erklang ihr Pfiff, wenngleich langsam und unregelmäßig. Die Chartersymbole waren schwierig zu handhaben, als versuchte Sabriel, etwas Schweres auf einen schlecht konstruierten Leiterwagen zu ziehen. Schließlich aber, mit größter Anstrengung, flossen sie leicht daher und strömten in ihre gepfiffenen Noten.
    Im Gegensatz zu ihrer vorherigen, allmählichen Beschwörung toste dieser Wind mit der Schnelligkeit einer zugeschlagenen Tür herbei und heulte hinter ihnen mit erschreckender Heftigkeit, als er den Papiersegler erfasste und vorwärts warf wie ein gigantischer Wellenkamm ein kleines Boot. Plötzlich bewegten sie sich so schnell, dass Sabriel auf dem Erdboden kaum noch etwas erkennen konnte; die einzelnen Inseln im Delta verschwammen in heftiger Bewegung.
    Die Augen schützend zu Schlitzen zusammengekniffen, drehte Sabriel den Kopf und sofort schlug ihr der Wind wie eine heftige Ohrfeige ins Gesicht. Die Blutkrähen waren nun ohne jede Formation über den ganzen Himmel verteilt und sahen im Rot und Purpur des Sonnenuntergangs wie kleine schwarze Flecken aus. Sie flatterten verzweifelt, um sich wieder zusammenzuscharen, doch der Papiersegler war inzwischen meilenweit entfernt. Sie konnten ihn unmöglich einholen.
    Sabriel stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, jedoch mit einem Unterton der Besorgnis, denn der Wind trieb sie mit schrecklicher Geschwindigkeit nach Norden, was nicht beabsichtigt gewesen war. Die ersten Sterne funkelten am Himmel, so dass Sabriel erkannte, dass sie sich tatsächlich auf die Spange zubewegten.
    Es war eine gewaltige Anstrengung für sie, die Chartersymbole aus ihrem Gedächtnis zu holen und den Zauber zu pfeifen, der den Wind verlangsamen und wieder ostwärts drehen sollte. Doch sie

Weitere Kostenlose Bücher