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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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sich zu einem langen, in Spiralen nach unten führenden Pfad. Sabriel achtete auf letzte Löcher am Rand, ehe sie sich vorsichtig auf diesen Pfad begab. Hinter und über ihr wirbelte der Strudel weiter.
    Der Pfad in die Tiefe schien nirgends zu enden, doch es dauerte bloß wenige Minuten, bis Sabriel den Grund des Strudels erreicht hatte und hinaus in die Dritte Zone trat.
    Die Dritte Zone erwies sich als trügerischer Ort. Das Wasser war seicht, nur knöcheltief und etwas wärmer. Auch das Licht war besser; es war zwar immer noch grau, doch konnte man weiter sehen. Selbst die allgegenwärtige Strömung kitzelte nur noch ihre Füße.
    Die Dritte Zone jedoch hatte Wellengang. Sabriel rannte zum ersten Mal und eilte so schnell sie konnte zum Dritten Tor, das in der Ferne gerade noch zu sehen war. Es ähnelte dem Ersten Tor – ein Wasserfall, der in einer Dunstwand verborgen war.
    Hinter sich hörte Sabriel das donnernde Krachen einer Welle. Sie war bisher durch denselben Zauber zurückgehalten worden, der ihr den Abstieg durch den Strudel ermöglicht hatte. Mit der Welle kamen schrille Schreie, Kreischen und Heulen. Zweifellos trieben sich hier viele Tote herum, doch Sabriel vergeudete keinen Gedanken an sie. Nichts und niemand vermochte sich dem Wellengang der Dritten Zone zu widersetzen: Am besten, man rannte, so schnell es ging, und hoffte, das nächste Tor zu erreichen.
    Das Donnern und Krachen wurde lauter und die schrecklichen Schreie verloren sich in dem Lärm. Sabriel sah sich nicht um; sie rannte nur. Bei einem Blick über die Schulter würde sie den Bruchteil einer Sekunde verlieren, und das mochte der Welle die Gelegenheit geben, sie mitzureißen und durch das Dritte Tor zu schmettern – als betäubtes Opfer für die Strömung dahinter.
     
    Touchstone spähte lauschend über den Südpol. Er war sicher, etwas gehört zu haben. Nicht nur das unentwegte Träufeln, sondern etwas, das sich anzuschleichen versuchte. Die Anspannung Moggets verriet ihm, dass auch die Katze dieses Geräusch vernahm.
    »Kannst du etwas sehen?«, wisperte er und strengte die Augen noch mehr an. Die Wolken vor der Sonne hielten noch immer das Licht von den Schächten fern. Allerdings glaubte er, dass während der kurzen Unterbrechungen die Sonnenstrahlen weiter in die Tiefe reichten. Wie auch immer – Mogget und er waren zu weit vom Rand entfernt, als dass ihnen eine plötzliche Rückkehr der Sonne geholfen hätte.
    »Ich sehe eine ganze Menge Tote«, flüsterte Mogget. »Sie kommen von der Haupttreppe im Süden und stellen sich seitlich davon an der Wand der Zisterne auf.«
    Touchstone blickte auf Sabriel, die jetzt wie eine Statue im Winter mit Eis überzogen war. Am liebsten hätte er sie geschüttelt und um Hilfe gerufen…
    »Welche Art von Toten sind es denn?«, erkundigte er sich. Er wusste nicht viel über die Toten, nur dass Schattenhände die schlimmsten der normalen Art waren, während Mordicanten wie jener, der Sabriel gefolgt war, zu den allerschlimmsten zählten – von Kerrigor, dem Toten Adepten, ganz zu schweigen…
    »Hände«, knurrte Mogget. »Alles Hände, ziemlich verweste obendrein. Sie zerfallen im Gehen.«
    Wieder spähte Touchstone in die Dunkelheit und setzte seine ganze Willenskraft ein, die Toten zu sehen. Doch da war nichts zu sehen. Er konnte allerdings hören, wie sie durchs stille Wasser wateten, und fragte sich plötzlich, ob das Reservoir einen Abfluss mit Stöpsel hatte, was er jedoch rasch als närrischen Einfall abtat. Jeder Stöpsel oder Abflussdeckel, die ja gewöhnlich aus Eisen bestanden, würden inzwischen längst zugerostet sein.
    »Was machen sie?«, flüsterte er besorgt und drehte nervös die Klinge. Er glaubte die Kerze in seiner Linken ganz ruhig zu halten, doch die kleine Flamme flackerte – ein deutliches Zeichen, dass sein Arm leicht zitterte.
    »Sie stellen sich in Reihen entlang der Wand auf«, flüsterte Mogget zurück. »Seltsam, fast wie eine Ehrenwache…«
    »Charter bewahre«, krächzte Touchstone vor Angst und voller böser Vorahnungen. »Rogir… Kerrigor. Er muss hier sein… und er kommt…«

     

22
    Sabriel erreichte das Dritte Tor kurz vor der Welle. Im Laufen stieß sie einen Spruch Freier Magie hervor. Sie spürte, wie er aus ihrem Mund quoll und ihre Nase mit ätzendem Rauch quälte. Der Zauber teilte den Dunst, und Sabriel trat hinein. Die Welle brach über sie, ohne ihr etwas anhaben zu können, und vereinigte sich mit dem in die Tiefe donnernden Wasserfall.

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