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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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ließ Sabriels Hand fallen, als würde er den Kopf einer Giftschlange halten.
    Bestürzt blickte Sabriel ihn an. Er sah das Spiegelbild seiner Kerzenflamme in ihren dunklen Augen. Es war das erste Mal, dass er Sabriel eingehend betrachtete. Er bemerkte die Müdigkeit in ihren Zügen, den Anflug von Sorgenfalten und die Trauer in ihrem Gesicht. Ihre Nase war immer noch ein wenig geschwollen, doch die Blutergüsse über ihren Wangenknochen verblassten bereits. Sie war schön, was er bisher nicht bemerkt hatte, weil er sie lediglich als Trägerin des Titels Abhorsen gesehen hatte und nicht als Frau.
    »Ich sollte mich jetzt lieber auf den Weg machen«, sagte Sabriel, die Touchstones Musterung verlegen machte. Ihre linke Hand wanderte zu dem Glockenbandelier, und ihre Finger tasteten nach Saraneths Gurten.
    »Gestattet, dass ich Euch helfe«, erbot sich Touchstone. Er trat näher und langte nach dem steifen Leder. Seine Hände waren fast noch kraftlos von der Anstrengung mit der Schutzraute. Er hatte den Kopf dicht über die Glocken gebeugt. Sabriel blickte hinunter auf sein Haar und war nahe daran, einen Kuss genau auf den Wirbel zu hauchen, von dem aus seine kurzen braunen Locken nach außen verliefen. Doch sie beherrschte sich.
    Das Etui löste sich und Touchstone trat einen Schritt zurück. Sabriel zog Saraneth heraus und hielt sie behutsam so, dass sie nicht unerwartet läuten konnte.
    »Du wirst wahrscheinlich nicht lange warten müssen«, sagte sie. »Die Zeit verläuft im Tod merkwürdig. Wenn… wenn ich in zwei Stunden nicht zurück bin, dann… dann bin ich wahrscheinlich auch gefangen. Du und Mogget solltet euch zu diesem Zeitpunkt zurückziehen…«
    »Ich werde warten!«, erklärte Touchstone fest. »Wie kann man denn schon wissen, wie viel Zeit hier verstrichen ist?«
    »Es hat den Anschein, dass ich in diesem Fall wohl ebenfalls warten muss«, fügte Mogget hinzu. »Es sei denn, ich will hinausschwimmen, aber darauf verzichte ich gern. Die Charter sei mit dir, Sabriel.«
    »Und mit euch«, dankte sie und schaute sich in der dunklen Weite der Zisterne um. Sie konnte hier noch immer keine Toten spüren, und doch…
    »Ja, wir brauchen sie«, erwiderte Mogget säuerlich. »So oder so.«
    »Ich hoffe nicht«, flüsterte Sabriel und sah in ihrem Beutel, der am Gürtel hing, nach den kleinen Dingen, die sie im Gasthof Zu den drei Zitronen hergerichtet hatte. Dann wandte sie sich dem Nordpol zu, hob ihr Schwert und begann ihre Vorbereitungen zum Betreten des Todes.
    Plötzlich watete Touchstone voran und küsste sie rasch auf die Wange. Es war ein unbeholfener Kuss mit trockenen Lippen, der fast den Rand ihres Helmes statt ihre Wange gestreift hätte.
    »Er soll Euch Glück bringen«, murmelte Touchstone nervös. »Sabriel.«
    Sie lächelte und nickte; dann blickte sie wieder gen Norden. Ihre Blicke richteten sich in die Ferne, und Wellen kalter Luft wogten um ihren reglosen Körper. Eine Sekunde später lösten sich Eiskristalle aus ihrem Haar, und Raureif rann ihr Schwert und die Glocke entlang.
    Touchstone beobachtete sie ganz aus der Nähe, bis es zu kalt wurde; da erst begab er sich in die südliche Spitze der Raute. Er zog einen seiner Degen, drehte sich nach außen und hielt die Kerze hoch. Dann begann er innerhalb der Linien des Charterfeuers hin und her zu waten, als patrouilliere er auf dem Wehrgang einer Burg. Mogget schaute sich von seinen Schultern aus um. Seine grünen Augen leuchteten in geheimnisvollem Licht.
    Beide drehten sich oft zu Sabriel um.
    Der Übergang in den Tod wurde ihr durch die Anwesenheit der gebrochenen Steine leicht gemacht – viel zu leicht. Sabriel spürte sie wie zwei offene Torflügel, die für jeden Toten in der Nähe leichten Zugang zum Leben versprachen. Glücklicherweise schwand im Tod die andere Wirkung der Steine – die Übelkeit. Hier gab es nur die Kälte und die Strömung des Flusses, die an ihr zerrte.
    Sabriel stapfte sofort voran, beobachtete jedoch aufmerksam die graue Weite vor ihr. Aus den Augenwinkeln sah sie Dinge und sie hörte Bewegungen im kalten Wasser. Doch nichts kam auf sie zu, nichts griff an; da war nur das unentwegte Zerren der Strömung.
    Als sie zum Ersten Tor gelangte, hielt sie unmittelbar vor der Dunstwand, die sich zu beiden Seiten erstreckte, so weit sie sehen konnte. Der Fluss toste davor, und heftige Strudel wirbelten zur Zweiten Zone und weiter zum Zweiten Tor.
    Sabriel rief sich bestimmte Seiten aus dem Buch der Toten ins Gedächtnis

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