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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Vater ab.«
    »Was können wir tun?«
    »Uns verteidigen, wenn wir angegriffen werden, was sonst?«, sagte Mogget wie zu einem lästigen Kind. »Hoffen. Zur Charter beten, dass Kerrigor nicht vor Sabriels Rückkehr eintrifft.«
    »Und wenn doch?« Touchstone starrte in die Dunkelheit. »Wenn doch?«
    Mogget schwieg. Touchstone hörte nur das Schlurfen, Waten und Platschen der Toten, die langsam näher kamen wie ausgehungerte Ratten, die zum gedeckten Tisch eines Betrunkenen schleichen.
     
    Sabriel hatte keine Ahnung, wie weit sie gegangen war, ehe sie ihn fand. Das gleiche Kribbeln veranlasste sie, stehen zu bleiben und direkt in den Wasserfall zu blicken – und da war er! Abhorsen. Vater. Er war irgendwie innerhalb des Tores gefangen, so dass nur sein Kopf über dem tosenden Wasser zu sehen war.
    »Vater!«, rief Sabriel, widerstand jedoch dem plötzlichen Verlangen, zu ihm zu laufen. Zuerst dachte sie, er hätte sie gar nicht bemerkt; dann aber verriet ihr das Blinzeln eines Auges, dass er sie bewusst wahrnahm. Wieder blinzelte er und rollte die Augen mehrmals nach rechts.
    Sabriel folgte seinem Blick und sah etwas Großes, Schattenhaftes aus dem Wasserfall erscheinen, dessen Arme versuchten, sich aus dem Tor zu ziehen. Sie trat näher, Schwert und Glocke bereit, zögerte dann aber. Es war ein totes Menschenwesen, in Gestalt und Größe ähnlich dem, das ihr den Glocken- und Schwertgürtel nach Wyverley gebracht hatte. Sie blickte wieder zu ihrem Vater, und erneut blinzelte er. Ganz leicht hoben sich seine Mundwinkel – fast wie zu einem Lächeln.
    Immer noch vorsichtig machte sie einen Schritt zurück. Es bestand die Möglichkeit, dass der in den Wasserfall gekettete Geist lediglich wie ihr Vater aussah oder dass er unter dem Einfluss irgendeiner Macht stand, falls es tatsächlich Abhorsen sein sollte.
    Der Toten Kreatur gelang es schließlich, sich aus dem Wasser zu ziehen. Deutlich war zu sehen, dass die Muskeln an ihren Unterarmen sich wesentlich von menschlichen unterschieden. Sie blieb kurz am Rand stehen. Der große Kopf drehte sich suchend von Seite zu Seite; dann näherte sie sich schwerfällig Sabriel, mit ihrer vertrauten, rollenden Gangart. Ein paar Schritte vor ihr – außerhalb der Reichweite des Schwertes – blieb das Wesen stehen und deutete auf seinen Mund. Die Kiefer bewegten sich auf und ab, doch kein Laut drang aus dem roten, fleischigen Mund. Aus dem Rücken der Kreatur führte ein schwarzer Faden hinunter in das tobende Wasser des Tores.
    Sabriel überlegte kurz, dann tauschte sie mit einer Hand Saraneth gegen Dyrim aus. Sie spannte das Handgelenk, um die Glocke zu läuten, zögerte jedoch – denn Dyrim würde alle Toten ringsum alarmieren – und senkte sie. Dyrim läutete süß und klar. Verschiedene Töne erklangen und vermischten sich wie die Stimmen, das Lachen und die Gespräche in einer Menschenmenge.
    Wieder läutete Sabriel die Glocke, diesmal mit einer Reihe leichter Drehungen der Hand, die den Klang der Glocke zur Toten Kreatur sandten, vereint mit den Echos des ersten Läutens.
    Der Klang schien sich um den Kopf und den stummen Mund der Kreatur zu drehen.
    Die Echos verstummten. Rasch steckte Sabriel Dyrim ein, bevor diese versuchen konnte, von sich aus zu läuten, und zog Ranna. Die Schlafbringerin vermochte eine große Zahl von Toten gleichzeitig einzulullen, und Sabriel befürchtete, dass bei ihrem Läuten viele herbeikommen würden, in der Hoffnung, einen törichten und schlecht ausgebildeten Nekromanten vorzufinden. In großer Zahl würden sie gefährlich sein. Ranna zuckte erwartungsvoll in Sabriels Hand, wie ein Kind, das schon bei der sanftesten Berührung erwacht.
    Der Mund der Kreatur bewegte sich erneut; jetzt besaß sie eine Zunge, die sich wie eine Nacktschnecke wand, eine grässliche, breiige Masse aus weißem Fleisch. Aber es funktionierte. Das Ding machte mehrere gurgelnde, schluckende Geräusche; dann sprach es mit Abhorsens Stimme.
    »Sabriel! Ich hoffte und befürchtete gleichermaßen, dass du kommst.«
    »Vater…«, begann Sabriel und blickte zu seinem gefangenen Geist, nicht zu der Toten Kreatur. »Vater…«
    Sie brach zusammen und fing zu weinen an. Sie war diesen weiten Weg gekommen, durch so viele Schwierigkeiten, nur um ihn hier gefangen vorzufinden, ohne die Möglichkeit, ihn zu befreien. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass jemand innerhalb eines Tores gefangen gehalten werden konnte.
    »Sabriel! Beruhige dich, Tochter! Wir haben keine Zeit für

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