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Das Amerikanische Hospital

Titel: Das Amerikanische Hospital Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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die Hände vors Gesicht, und Cote, der zugleich fror und schwitzte, wusste nicht, wie er reagieren sollte. Seine Hände zuckten vor in der Absicht, sie
zu beruhigen, zu trösten, zu umarmen, aber er ließ sie nicht frei.
    Das ist Spott, das ist echter Teufelsspott, brachte Hélène atemlos hervor, und als ich das Le Goff gestanden habe, als ich ihm das erzählt habe, dass ich keine Kinder werde bekommen können, wenn mein eigener Körper mich bekriegt und verhöhnt, da hat er gesagt: Nein, nein, Sie sehen das völlig falsch. Ihr Körper führt keinen Krieg gegen Sie, er beschützt Sie, indem er abstößt, was ohnehin nicht zu retten ist. Wenn Ihr Körper diese Reaktion hat, dann um Ihnen zu helfen.
    Verstehen Sie, wo ist der Unterschied? Wenn nicht mein eigener Körper mein Feind ist, dann ist es diese bloody mess, die in mir wächst anstatt eines Kindes und die ohnehin nicht zu retten ist, ohnehin nicht zu retten!
    Um Gottes willen, stotterte der Amerikaner und versuchte jetzt doch, seine Hand auf ihre Hände zu legen, die sich nervös ballten und öffneten, die Kante der Bank umfassten, sich in ihren Rock krallten, dann mit den Nägeln in das weiche Holz der Bretter kratzten.
    Sie schüttelte seine Hand ab wie ein lästiges Insekt.
    Ich werde alt und immer älter und bin steril und vertrocknet wie ein altes Weib. Mein eigener Mann begehrt mich nicht mehr. Er fasst diesen Körper nicht mehr an. Er setzt jeden Tag seine Spritzen in meinen Hintern, sorgfältig und schmerzfrei, aber er schaut ihn nur an, um zu prüfen, ob die Nadel auch ins Muskelgewebe gegangen ist und keine Adern angestochen hat, sodass ich riesige Blutergüsse kriege, und er packt mich in Watte und redet leise mit mir, damit ich endlich austrage, und ich bin sein heiliges Gefäß, sein Scheißgefäß, in dem nichts wächst,
aber anfassen tut er mich nicht mehr, Liebe machen will er nicht mehr mit diesem Körper, der austragen soll und nicht gestört werden soll dabei und der es nicht kann und nicht will …
    Er hatte jetzt doch beide Hände um ihre Oberarme gelegt und drückte ein wenig zu, und das beruhigte sie.
    Sie wischte sich mit einer Faust über die Augen und sagte: Entschuldigen Sie den hysterischen Anfall. Ist schon wieder gut …
    Aber vielleicht ist es ja besser so, sagte er und blickte mit glasigen Augen durch sie hindurch, während seine Hände noch immer ihre Schultern umfasst hielten.
    Ist was besser so?, fragte sie entgeistert.
    Er ließ sie los, stieß sich fast ab und ließ sich gegen die Lehne fallen.
    Keine Kinder in die Welt zu setzen, sagte er, und im Weitersprechen wurde sein Blick wieder klar und seine Stimme immer ruhiger.
    Es ist am 1. März passiert. Der erste richtige Tag des Waffenstillstandes. Wir waren ja den ganzen Vortag weiter nach Süden und in Richtung Basra gerückt, am Highway 8 entlang, bis zu der Dammstraße, wo dann am Tag darauf die Schlacht stattfand. Die Schlacht! Ein Übergangstag eigentlich. Eigentlich. Vielleicht hatte ich ihn deshalb bis jetzt vergessen. Rast. Zelte aufbauen. Lagebesprechung. Kartenspiel. Rauchen. Latrinen ausheben. Die Routine.
    Wovon reden Sie?, fragte Hélène.
    Von Kindern. Warten Sie nur. Ich komme gleich darauf.
    Unser Lager befand sich vielleicht anderthalb Meilen von einem kleinen Dorf entfernt. Was sich dort so Dorf
nennt. Die Masten, an denen die Stromleitungen hingen, die Masten, an denen die Telefonleitungen hingen, führten am Straßenrand darauf zu. Von Weitem sah es aus wie eine Barackensiedlung. Schnell hochgezogene Betongerippe, mit Hohlblocksteinen hastig vermauert. Obendrüber ein flaches Betondach, aus den Pfosten stehen die Moniereisen, die Drähte des Stahlbetons. Wenn sie Geld haben und Kinder kriegen, bauen sie ein zweites Geschoss obendrauf. Überall das Gewirr von Elektroleitungen, die auf den Dächern ankommen und mit selbstgebastelten Anschlüssen in die Häuser verlegt sind. Draußen liegt Schrott rum: Benzintonnen, Müll, Steine, Plastik in allen Formen. Ich habe mich immer gefragt, warum die Araber, in deren Häusern man vom Boden essen kann, sich so wenig darum scheren, wie es draußen vor ihren Türen aussieht. Aber sei’s drum. So ein Dorf war das. Ich weiß es, weil wir hinbeordert wurden. Ich bekam die Nachricht, dass man in diesem Dorf ein Waffenlager gefunden hatte. Das Dorf musste gesichert, und die Waffen mussten konfisziert und vernichtet werden.
    Welche Einheit diese Entdeckung gemacht hatte? Keine Ahnung. Und warum, wo wir doch bei diesem

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