Das Amerikanische Hospital
Dorf lagen, überhaupt eine andere Einheit schon dort gewesen war, ein Scout-Platoon von einer anderen Kompanie oder wer auch immer, ich weiß es nicht. Ich sagte Ihnen ja schon, wir hatten kein verlässliches Kartenmaterial für diese Gegend, weil wir zu weit von unserem Planquadrat weg waren. Hören Sie zu? Das wird nämlich noch eine Rolle spielen. Keine Einheit wusste genau, wo die nächste war und warum.
Er sah Hélène prüfend an, und sie nickte.
Aber weiter. In einem verlassenen Schulhaus sollten die Waffen sein. In einem Schulhaus. Was immerhin bedeutet, dass es in diesem gottverlassenen Dorf eine Schule gab oder gegeben hatte. Wir sicherten die beiden Ausgänge des Orts, den Richtung Marschen und den anderen Richtung Highway 8, von wo wir gekommen waren. In der Mitte war ein etwas größerer Platz, dort stand auch ein Wasserturm. Überall also diese kleinen Betonhäuschen und das Kabelgewirr. Blicke aus den dunklen Fensterhöhlen. Wir sahen ja aus wie Marsmenschen, Helme, Kugelschutz, Gläser, die Waffen entsichert. Ein alter Mann mit Turban zeigt uns das Schulhaus. Bänke, Tische, eine Tafel, wie bei uns. Da musste noch bis vor Kurzem Unterricht stattgefunden haben, auf der Tafel war noch Kreideschrift zu sehen. In einem kleinen Raum, in dem aufgerollte Leinwände mit Karten und ausgestopfte Vögel und ein paar Ersatzmöbel lagerten, stand eine große Bretterkiste. Wir stemmen sie auf und tatsächlich: eine Ladung Karabiner, alle noch in Wachspapier und mit Schutzschmiere drauf. Nie benutzt. Nie abgefeuert. Wir tragen die Kiste raus, solche Waffenfunde werden dann immer irgendwo in die Wüste gestellt und in die Luft gesprengt. Also alles ganz einfach und problemlos. Ich stehe wieder auf dem Platz mit drei Mann, während die anderen die Kiste zum Lastwagen tragen. Immer noch die Waffen entsichert, aber nicht mehr so angespannt. Es war heiß. Und es war totenstill. Offenbar hatte jeder sein Radio abgestellt, in den Werkstätten hatten die Leute aufgehört zu hämmern. Sie hatten alle Angst, dass wir sie erschießen, wenn sie uns
irgendwie auf sich aufmerksam machen. Der Alte, der uns in die Schule geführt hat, geht in ein Haus hinein. Man hört mehrere Leute reden. Dann kommt ein anderer Alter mit weißem Bart langsam heraus. Er hat ein bodenlanges Gewand an, geht am Stock, und mit der freien Hand hält er einen anderen Stock hoch, an dem ein weißes Bettlaken hängt. Er setzt langsam einen Fuß vor den andern und blickt uns unsicher an, als existiere bei jedem Schritt wieder eine Fifty-fifty-Chance, dass wir schießen. Ein paar andere Alte, die ebenfalls in diesem Haus waren, schließen sich ihm an, unser Führer im blauen Turban auch. Nachdem wir den Anführer nicht erschossen haben, dachten sie wohl, werden wir sie auch nicht erschießen. So gingen sie im Gänsemarsch, Schritt für Schritt, über den Platz, aus dem Schatten in die Sonne hinaus.
Ich verlor das Interesse an ihnen, während meine Leute sie weiterhin beobachteten. Ich verliere das Interesse, weil ich sehe, dass uns aus einer der dunklen Fensterhöhlen eines anderen Hauses Kinder beobachten. Warum ich weiß, dass es Kinder sind? Ihre Augen leuchten anders. Kinder wie Kinder überall. Neugierig und abenteuerlustig bei aller Angst und jetzt gerade offenbar hin- und hergerissen zwischen dem Verbot, das Haus zu verlassen, und ihrer Lust, sich diese Aliens mit den Tarnuniformen, den Ameisenaugen und Stiefeln und riesigen Maschinenpistolen näher anzusehen.
Und ich dachte, hilfst du ihnen ein wenig über ihre Vorbehalte hinweg und lockst sie raus. Gehe also in die Hocke dort auf dem Platz und ziehe, was ich noch von meinen MRE-Rationen übrig habe, aus den Taschen.
Kräcker, Erdnussbutter, Schmierkäse. Kaugummi hatte einer meiner Leute. Gehe also in die Hocke und locke die Kinder raus, wie man Katzen mit einem Milchnapf lockt. Erleichtert auch, dass der Einsatz sich als harmlos herausgestellt hat.
Es war ein Spiel. Erst ein Gesicht im Türrahmen, das gleich wieder verschwindet. Dann ein Fuß, vorgestreckt, wieder fort. Dann steht ein großer Junge, vielleicht zehn oder elf, in der Tür und beobachtet mich. Wie ein Reh, das in den Wind schnuppert. Fluchtbereit. Schließlich stehen dann fünf Kinder auf der Türschwelle. Drei Mädchen, zwei Jungs, zwischen fünf und zehn, schätze ich. Ziemlich zerlumpt, ziemlich verdreckt, aber Kinder. Das eine Mädchen wunderschön. Sechs, sieben Jahre alt. Dichtes, verfilztes schwarzes Haar, weiße Zähne,
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