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Das Amulett der Pilgerin - Roman

Titel: Das Amulett der Pilgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Bastian
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sich.
    »Viviana, es tut mir leid, ich weiß nicht, wie ich die Beherrschung verlieren konnte. Es tut mir leid«, wiederholte er sichtlich zerknirscht.
    Sie griff nach seiner Hand. »Bitte sag nicht, dass es dir leidtut.«
    »Das habe ich nicht damit gemeint. Aber es ist unehrenhaft, dass ich die Situation so ausgenutzt habe. Du bist hier allein mit mir, und dann darf ein Mann so etwas nicht tun.«
    Viviana nickte schuldbewusst. Obwohl sie sich gewünscht hatte, ihn zu küssen, wurde ihr schlagartig bewusst, wie unerhört sie sich verhalten hatte. Was musste er jetzt von ihr denken?
    »Vergessen wir es.«
    Julian blickte sie zweifelnd an.
    »Wir sagen Rinaldo nichts davon und vergessen, was gerade geschehen ist, einverstanden?«
    Er konnte sich nicht vorstellen, dass er das eben Geschehene einfach so vergessen könnte, nickte aber.
    »Dann lass uns zurückgehen, Viviana, es ist an der Zeit, dass wir aufbrechen.«
    Sie stiegen aus der Senke des Bachlaufes wieder hinauf auf die Wiese. Schweigend gingen sie nebeneinander her, als Julian plötzlich stehen blieb.
    »Was ist das?«
    »Eine Spur.«
    Julian bückte sich und betrachtete das niedergedrückte Gras.
    »Das ist kein Tier gewesen, dafür ist sie zu breit.«
    Die Spur zog sich über den Hügel im Westen und führte in die Richtung ihres Lagers.
    »Jemand ist zu unserem Lager gegangen, sieh, die Halme sind nur in dieser Richtung abgeknickt.« In Vivianas Stimme lag plötzlich Besorgnis. Ohne ein weiteres Wort rannten sie beide los. Wenige Minuten später sahen sie die Birken und in einiger Entfernung die Pferde. Sie verlangsamten ihren Schritt.
    »Rinaldo?«, rief Viviana. »Rinaldo?«
    Sie erreichten ihren Lagerplatz, aber von Rinaldo war nichts zu sehen.
    »Jemand hat meine Satteltaschen durchwühlt«, bemerkte Julian, mit einem Blick auf sein Gepäck. Viviana lief um die Bäume herum.
    »Rinaldo?« Ihre Stimme klang ängstlich.
    Julian blickte sich suchend um. Dort war eine Spur, die vom Lager wegführte und in einem dichten Gebüsch verschwand. Viviana kam wieder zu ihm.
    »Er antwortet nicht.« Sie blickte sich sorgenvoll um. »Es wird ihm doch nichts passiert sein?«
    »Das werden wir gleich überprüfen«, sagte Julian grimmig und zog sein Schwert. »Bleib dicht hinter mir.«
    Sie folgten der Spur bis zu der Stelle, an der sie in dem dichten Gebüsch verschwand. Es war deutlich zu erkennen, wo jemand durch die Blätterwand gebrochen war. Hinter dem Gebüsch begann der Wald, der sich von hier aus meilenweit in Richtung Osten ausbreitete. Julian schob die dünnen Zweige beiseite, und sie zwängten sich durch die Sträucher. Im Wald war es schattig und seltsam still, als hätten sie hinter dem Gebüsch nicht nur ihr Lager, sondern auch den Sommertag zurückgelassen. Viviana fröstelte unwillkürlich und folgte Julian auf der Spur durch das Dickicht.
    »Hier haben Pferde gestanden«, flüsterte er und deutete auf die Hufabdrücke.
    »Sie müssen eine Weile hier gewesen sein.« Viviana fuhr mit der Hand über die Zweige, an denen die Blätter abgefressen worden waren. Julian machte einige Schritte nach rechts.
    »Hier sind sie zur Straße geritten.«
    Obwohl die Straße nicht sehr weit entfernt war, konnte man sie durch das dichte Unterholz nicht sehen. Julian unterdrückte seinen Ärger. Wie hatte er so unaufmerksam sein können, dass ihm der Südländer durch die Lappen gegangen war? Wenn er nicht so mit Viviana beschäftigt gewesen wäre, wäre das nicht passiert. Mit wem hatte sich Rinaldo hier getroffen? Julian hatte genug von diesem Versteckspiel, er würde Viviana ein paar Fragen stellen müssen, wenn sie wieder am Lager ankämen. Es war auffällig, dass sie so gar keine Informationen über sich preisgab. Jeder Mensch erwähnte irgendwann einmal etwas über sein Leben. Er blickte zu ihr hinüber, wie sie konzentriert den Waldboden abschritt. Sie war sicher keine gewöhnliche Frau aus bescheidenen Verhältnissen, wie ihre Ausstattung, oder vielmehr der Mangel derselben, ihn glauben machen wollte. Julian bereute, dass er sie geküsst hatte. Wenn Rinaldo der Kurier war, dann musste Viviana mit ihm unter einer Decke stecken. Nur, warum hatten sie dann zugestimmt, mit ihm zusammen weiterzureisen? Natürlich, um ihn im Auge zu behalten. Aber wie konnten sie erfahren haben, dass er ein Agent des Königs war? Das alles ergab keinen Sinn. Wahrscheinlich gab es eine einfache Erklärung, und seine Phantasie ging bloß mit ihm durch, weil er sich ärgerte, dass er

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