Das Amulett der Pilgerin - Roman
ist also besser als meines?«
»Ich diene dem König.«
»Sehr nobel.«
»Und du dienst ausschließlich dir selbst.«
»Du hast also letzte Nacht der Krone und nicht dir selbst gedient?«
Ihre Frage hing wie ein scharfes Schwert im Raum, aber Julian gab ihr keine Antwort.
Was sollte er ihr auch antworten? Er hatte geglaubt, Viviana hätte ihm etwas vorgemacht, ihn ausgenutzt und seine Liebe betrogen. Er war wütend und verletzt gewesen und verzweifelt. Er hatte wenigstens etwas von seinem Traum genießen wollen, und es war, oh, so köstlich gewesen. Doch er hatte sich geirrt. Nicht Viviana war es gewesen, die ihn betrogen hatte, er war es gewesen, der sie betrogen hatte. Er hatte sie nicht nur betrogen, er hatte sie ermordet. Statt ihrer war nun Emmanuelle Foulaise hier, und die Viviana, die er geliebt hatte, war für immer verschwunden. Julian biss die Zähne zusammen. Er hatte mit Gott gehadert, und nun war alles noch viel schlimmer gekommen.
Früh am Morgen brachen sie auf. Sie hatten für Viviana einen schlanken Grauschimmel gekauft, und ihr Pony würde als Lasttier dienen. Viviana trug ein neues, taubenblaues Reisekleid mit passendem Schleier, das ihr ausgesprochen gut stand.
»Wir sollten Rinaldos Gepäck hier zurücklassen«, sagte Julian, als er ihre Bündel auf dem Pony festzurrte.
»Ich finde, wir sollten es mitnehmen.«
Musste sie am frühen Morgen schon Streit suchen? Julian drehte sich um.
»Es ist nur zusätzliches Gewicht.«
»Vielleicht treffen wir ihn ja in Saint Albans.«
»Saint Albans ist groß.«
»Ich möchte ihm aber sein Gepäck zurückgeben.«
»Wie fürsorglich.«
Viviana packte Rinaldos Bündel und drückte es grob an Julians Brust.
»Er war gut zu mir, und deshalb geben wir ihm seine Sachen zurück!« Ihre schwarzen Augen funkelten ihn an. Julian sah aus dem Augenwinkel, wie der Stalljunge ihren Streit beobachtete. Es wäre besser, wenn sie kein Aufsehen erregten, und so nahm er wortlos das Bündel und schnürte es ebenfalls auf dem Pony fest. Als sie schließlich aus dem Hof ritten, schüttelte er ungeduldig den Kopf über sich selbst. Der Südländer hatte ihm nichts getan, und es wäre nett, wenn sie ihm sein Gepäck zurückgäben, falls das möglich war. Er hatte es bloß nicht tun wollen, weil Viviana es wünschte. Sie brachte wahrlich nicht die besten Seiten in ihm zu Vorschein, dachte Julian und beschloss, sich zu bessern. Er würde ihr keine Kontrolle über seine Gefühle erlauben.
Bis zur Mittagsrast waren sie schweigend hintereinander hergeritten, jeder in seine Gedanken vertieft. Julian führte sie zu einer schattigen Stelle an einem kleinen Weiher, der als Viehtränke diente. Während die Pferde grasten, packte Viviana das Mittagessen aus. Es war ein sonniger Tag, eine leichte Brise wehte. Sie sprachen kaum ein Wort miteinander, während sie aßen. Schließlich legte sich Viviana ins Gras, während Julian sich an einen der Bäume lehnte. Er hatte die Augen geschlossen. Viviana betrachtete ihn und blickte dann in den blauen Himmel. Sie dachte an ihren ersten Kuss während einer Rast wie dieser.
»Ich frage mich, wer die Leute waren, die uns im Wald überfallen haben«, sagte sie schließlich und setzte sich auf.
Julian öffnete die Augen und rieb sich über das Kinn.
»Vielleicht waren es deine Auftraggeber, die befürchteten, dass du übergelaufen bist?«
»Wie hätten sie das so schnell herausfinden können?«
»Oder die Empfänger, die um ihre Liste fürchteten?«
»Nein, die werden sich erst jetzt wundern, wo ich bleibe. Außerdem wissen sie nicht, wo ich übersetzen wollte.«
»Irgendjemand muss das aber gewusst haben, immerhin wussten wir es, und Bertrand Duvale hat es auch gewusst.«
Viviana runzelte die Stirn.
»Das habe ich mich auch schon gefragt, woher er das wusste.«
»Bedauerlich, dass du ihn ermordet hast, sonst hätten wir ihn fragen können.«
»Ja, daran habe ich nicht gedacht, als er mir den Hals zudrückte.«
Julian erwiderte ihren spöttischen Blick nicht.
»Oder der Angriff galt doch Rinaldo«, fuhr Viviana fort. »In was er wohl verwickelt ist?«
»Meinst du nicht, dass du selbst schon genug Schwierigkeiten hast, als dass du dich um Rinaldo kümmern solltest?«
»Bin ich in Schwierigkeiten? Das war mir entgangen.« Sie blickte ihn mit hochgezogenen Brauen an. »Ich habe mit deinem Kardinal ein Geschäft abgeschlossen. Es ist mir durchaus klar, dass er meinen Kopf will, sollte ich mein Wort nicht halten.« Sie blickte ihn
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