Das Amulett der Pilgerin - Roman
White.«
»Großartig.«
»Das werden Sie schon meistern, White. Ich glaube, Mademoiselle Foulaise wird für denjenigen arbeiten, der ihr das beste Angebot macht. Derzeit sind wir das. Wenn sie uns die Verräter liefert, erhält sie freien Abzug zurück aufs Festland und noch ein nettes Sümmchen obendrauf. Wie sie sich dann mit Richards Leuten einigt, ist nicht mein Problem.«
»Und wenn sie sich nicht an die Abmachung hält?«
»Dann werden Sie sie töten, White.«
Viviana schaute aus dem Fenster über die Stadt, aber ihr Blick ging ins Leere. Alles fühlte sich bekannt und vertraut an. Der leere Raum, in dem sie geschwebt hatte, war verschwunden. Sie stand wieder mit beiden Beinen in ihrem Leben. Sie amüsierte sich über das Gefühl von Ernüchterung, das sie empfand. Vielleicht war es auch Bitterkeit, aber das spielte keine Rolle. Der Kardinal war ein gescheiter Mann und hatte die Vorteile sofort erkannt, die ihm eine Zusammenarbeit mit ihr einbrachten. Es würde Julian, der sie ja unbedingt am Galgen sehen wollte, sicherlich missfallen. Er hatte ihr etwas vorgespielt, und sie war auf ihn hereingefallen. Die Nägel ihrer Finger hinterließen kleine Halbmonde in ihrem Arm, doch der Schmerz konnte sie nicht von ihren Gedanken ablenken. Sie war nicht recht bei Sinnen gewesen, eine leichte Beute. In ihrer Umnachtung hatte sie ihm vertraut, ihn vielleicht sogar … Sie wusste nicht, was. Doch was es auch gewesen war, es war nicht mehr da. Geblieben war nur ein Nachgeschmack des Gefühls, von ihm betrogen worden zu sein.
Die Tür öffnete sich, und der Kardinal und Julian betraten den Raum. Er deutete auf die Sessel an dem leeren Kamin, und sie setzten sich.
»Also, noch einmal von vorn, damit es keine Missverständnisse gibt.« Der Kardinal schenkte sich ein großes Glas Wein ein und ließ sich auf einen der gepolsterten Stühle fallen.
»Mademoiselle, Sie wurden beauftragt, eine Liste an sich zu bringen und einer Kontaktperson auszuhändigen.«
»Das ist richtig.«
»Sie wissen nicht, wer diese Kontaktperson ist?«
»Nein, er oder sie wird sich mit mir in Verbindung setzen.«
Julian schnaubte ungeduldig.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie nicht wissen, wer Ihre Kontaktperson ist«, warf er unwirsch ein.
Ihre Augen trafen sich einen Moment.
»Versuche es einfach.«
»Und wer hat Sie geschickt? Wissen Sie das etwa auch nicht?«
»Ich bin nur der Kurier. Ich bekam meine Anweisungen und bin in See gestochen. Unglücklicherweise versuchte man mich aufzuhalten, und dabei bin ich über Bord gegangen.«
»Bertrand Duvale wird vermisst«, schaltete sich der Kardinal ein.
»Er hat mich angegriffen.« Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Für wen arbeiten Sie?«, fragte Julian weiter.
»Du meinst, wer mich bezahlt?«
»Wir sind also richtig informiert, dass Sie eine Art Söldnerin sind, die für denjenigen arbeitet, der am meisten bezahlt?« In seiner Stimme schwang Verachtung mit.
»Oh, macht mich das jetzt noch übler? Ich bitte um Verzeihung, aber meine Erfahrung ist, dass sich Loyalität nur von unten nach oben bewegt, niemals andersherum. Treue ist etwas für Narren.«
Julian wollte etwas erwidern.
»Können wir bei der Sache bleiben?«, schaltete sich der Kardinal ein und wandte sich an Viviana.
»Also?«
»Ich gehe davon aus, dass es Prinz Richards Leute waren, die mich kontaktierten. Aber ich kann es nicht beweisen, und es ist mir auch gleichgültig.«
»Uns ist das allerdings nicht gleichgültig. Können Sie Kontakt mit Ihrem Auftraggeber aufnehmen?«
»Nein.«
Die fleischigen Finger des Kardinals klopften auf die Armlehne seines Stuhls.
»Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass sie Kontakt zu mir aufnehmen werden, sollte ich meinen Auftrag nicht ausführen«, schlug Viviana vor.
»Wo befindet sich die Liste?«
»In Saint Albans.«
»In Saint Albans?«, fragte Julian ungläubig. Viviana zuckte mit den Schultern.
»Zufälle gibt’s.«
Julian starrte sie grimmig an.
»White und Sie, Mademoiselle, werden gemeinsam nach Saint Albans reisen. Sie werden die Liste holen und auf eine Übergabe warten. Das wird uns hoffentlich die Möglichkeit geben, einen der Verräter festzunehmen.«
Julian sah alles andere als erfreut aus, aber um Vivianas Lippen spielte ein zynisches Lächeln.
»Ist dir meine Gesellschaft plötzlich so unangenehm? Ich habe das anders in Erinnerung.«
»Sie beide reisen morgen ab, und versuchen Sie bitte, sich nicht ständig gegenseitig an die
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