Das Amulett
demütigem Ton.
Crezik blickte dem kleineren Goblin scharf in die Augen; sein Gegenüber senkte ängstlich den Kopf. Sehr gut , dachte Crezik. Seine Macht war unumstritten. »Wie heißt du?«, fragte er den kleineren Goblin.
»Dahk«, kam die leise Antwort. Der Goblin begann zu zittern, und Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Es war niemals ein gutes Zeichen, wenn sich der Große Goblin für den Namen eines Untergebenen interessierte.
»Zeig es mir!«, befahl Crezik so laut, dass es alle umstehenden Goblins hören konnten.
Dahk schluckte hörbar, doch er gehorchte und kletterte auf den fünf Fuß hohen Zaun. Mehr und mehr Goblins kamen herbeigeeilt, um ihm bei dem Versuch, ein Wildschwein zu reiten, zuzusehen. Crezik hob gebieterisch die Hände und brachte die Menge zum Verstummen. »Los!«, rief er Dahk zu. Der drehte sich um und sprang schicksalsergeben zu den Wildschweinen hinab.
Die Meute jubelte, als Dahk nur wenige Augenblicke später von einem wütenden Keiler aufgeschlitzt wurde.
»Peitschen!«, schrie Crezik seinen Männern zu; zwanzig Goblins machten sich sogleich daran, die Wildschweine hart zu bestrafen.
Crezik nickte zufrieden. Er würde den Willen der Tiere brechen, ganz gleich, wie viele seiner Untergebenen er noch an sie verlieren würde.
* * *
»Sag mir, in welche Richtung wir müssen!«, herrschte Lantuk ihren Gefangenen an. Es hatte sich gezeigt, dass Gluryk auf Drohungen des Kriegers am stärksten reagierte. Der Goblin wusste, wozu Lantuk im Stande war und weitete beim Klang von dessen Stimme immer erschrocken die Augen. So auch diesmal. Lantuk baute sich bedrohlich vor Gluryk auf und durchbohrte den kleinen Goblin mit seinen Blicken. »Rede!«, fauchte Lantuk erneut. Seine linke Hand schnellte ohne Vorwarnung vor und zerrte fest am Ohr des Goblins. »Na?«
Gluryk schüttelte heftig den Kopf: »Nicht wissen! Nicht wissen!«, stammelte er in gebrochener Menschensprache.
»Du lügst!«, brüllte Lantuk dem Goblin ins lang gezogene Ohr.
»Wald anders! Wald anders!«, heulte Gluryk.
Kordal verzog angewidert das Gesicht. Er hatte dieses Schauspiel in letzter Zeit zu häufig mit ansehen müssen. Lantuk schien sich mehr und mehr in seiner Wut zu verlieren, wie Kordal betrübt feststellen musste.
»Lantuk!«, ergriff Daavir mit scharfem Ton das Wort. »Der Wald hat sich verändert, er kennt den Weg nicht mehr.«
»Dann ist er nutzlos«, entgegnete Lantuk kalt und zog sein Kurzschwert.
Gluryk quietschte erschrocken, und seine verheulten Augen suchten verzweifelt nach einem Ausweg.
»Nein!« Das Echo von Kordals Stimme vermischte sich mit dem metallischen Klang aufeinanderprallender Schwerter, als er mit der eigenen Klinge Lantuks Hieb auffing.
Lantuk taumelte überrascht zurück und entließ den Goblin dabei aus seinem Griff.
Kordal steckte das Schwert weg und stellte sich schützend vor Gluryk.
»Du hältst zu ihm?«, fragte Lantuk wütend.
»Nein, ich bewahre dich nur vor einer Dummheit«, antwortete Kordal ruhig. »Ich lasse nicht zu, dass dein Zorn dich leitet.«
»Und rettest dafür dieses ... dieses Ding?«
»Ich habe ihm mein Wort gegeben«, erwiderte Kordal.
»Ich aber nicht!«, widersprach Lantuk hitzig und wollte einen Schritt auf die beiden zugehen, doch Daavir packte ihn am Arm und hielt ihn mit eisernem Griff zurück.
Gluryk nutzte die Gelegenheit, zumal ihm seine Peiniger keine Aufmerksamkeit schenkten und ihm die Fesseln abgenommen hatten, damit er sie führen konnte. Der kleine Goblin wirbelte herum und schlug sich in die Büsche.
Er lief, so schnell er konnte. Mehrmals stolperte er über eine knorrige Wurzel oder die eigenen Füße, doch er spürte keine Schmerzen. Ein einziger Gedanke beherrschte seinen Verstand: Rennen! Bald schon verblassten die Stimmen der drei Menschen, und er fühlte sich mit jedem Schritt sicherer, den er zwischen sich und seine Häscher brachte.
Endlich frei! Gluryk blieb stehen und lauschte. Keine Stimmen, keine Schritte. Die Menschen verfolgten ihn nicht. Der Goblin schloss die Augen und nahm einen tiefen Atemzug der Erleichterung. Noch nie hatte er sich so lebendig gefühlt, fast wie neu geboren.
Gluryk war so vertieft in seine Gedanken, dass er den Waldlöwen nicht bemerkte, der sich leise hinter ihm anschlich. Ein Fauchen ließ den Goblin zusammenzucken und herumwirbeln, doch es war zu spät. Das letzte, was Gluryk sah, war das weit geöffnete Maul der Wildkatze, das auf seinen Hals zuschoss, und ihre scharfen Klauen, die seinen
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