Das Amulett
Brustkorb mit zwei schnellen Hieben zerrissen.
Wütend befreite Lantuk sich aus Daavirs Griff. »Er ist uns entkommen!«
»Was?« Kordal drehte sich verwirrt um und blickte auf den Waldboden, wo kurz zuvor noch Gluryk gekauert hatte. Der Krieger seufzte beinahe erleichtert und wandte sich wieder Lantuk zu. »Es ist besser so.«
»Er hat uns absichtlich in die Irre geführt«, beschwerte sich Lantuk.
»Dann ist es erst recht besser, dass er fort ist«, erwiderte Daavir gelassen.
»Lassen wir ihn gehen«, beschloss Kordal. »Er hat uns viel über Crezik und das Lager verraten. Ich glaube ihm, dass er den Weg nicht mehr kannte. Dieser Wald ist mir unheimlich.«
»Du glaubst ihm, dass der Wald vor einer Mondphase anders aussah?«, fragte Lantuk erstaunt.
»Ja«, antwortete Kordal knapp. Dann blickte er Lantuk tief in die Augen. »Es ist auch besser für uns, dass er fort ist.«
Lantuk hielt dem Blick nicht stand und sah betreten zu Boden. »Jetzt werden wird das Lager nie finden.«
»Wir suchen dennoch danach«, sagte Daavir.
»Vielleicht finden wir auch wieder zu uns selbst«, meinte Kordal so leise, dass es niemand außer ihm hören konnte.
* * *
Seit zwei Tagen irrte er bereits durch den Wald. Seine Kleidung war zerschlissen und speckig vor Dreck. Unzählige kleine Schürf- und Schnittwunden verunstalteten seinen Körper, doch er konnte sich nicht daran erinnern, wann er sich das letzte Mal so unbeschwert gefühlt hatte. Ul‘goth genoss jeden Schritt. Bei Tag bahnte er sich einen Weg durch das Dickicht und machte Jagd auf die Goblins, sobald der Mond die Sonne über den Horizont gedrängt hatte, suchte er sich einen geschützten Platz zum Schlafen. Meist erkletterte er einen der größeren Bäume und machte es sich auf einer Astgabel bequem.
Unbeirrt setze er den Weg fort. Eine Richtung schien so gut wie jede andere. Oft dachte er an Tharador und seine Freunde und hoffte, sie würden die Quelle finden. Doch Crezik wollte er ganz allein gegenübertreten.
Seine Nase fing den stinkenden Geruch einer Goblinbande auf, lange bevor seine Ohren auch nur das kleinste Geräusch vernahmen. Diese Gruppe war groß. Sechs Goblins drängten sich auf einer Lichtung um ein loderndes Lagerfeuer. Sie bereiteten offensichtlich ihr Nachtlager vor und stritten sich nun um die besten Plätze. Die kalten Monde hielten mittlerweile auch hier im Süden Einzug. Surdan war mittlerweile wahrscheinlich von einer hohen Schneeschicht bedeckt.
Ul‘goth beobachtete die Goblins genauer, versuchte ihren Anführer auszumachen. Es war ein kräftiger Goblin, der ein schwarzes Fell um die Schultern geschlungen hatte. Offensichtlich hatte er es ihrem Abendmahl abgezogen, denn über dem Feuer hing ein gehäutetes Tier auf einem behelfsmäßigen Spieß. Der Geruch des toten Tieres würde schon bald größere Raubtiere anlocken, dessen war sich der Ork sicher.
Der erfahrene Krieger wartete noch, bis die Goblins sich auf ihr Abendessen stürzten.
Der Anführer der Truppe nahm sich sein Stück zuerst und setzte sich dicht ans Feuer. Sobald er sich seinen Brocken geholt hatte, begannen die übrigen Goblins, sich um den Rest des Tieres zu balgen. Solche Verteilungskämpfe standen an der Tagesordnung, das wusste Ul‘goth, dennoch wunderte er sich jedes Mal aufs Neue darüber.
Der Orkkönig zog aus dem Gürtel ein kleines Wurfmesser, das in seiner Hand beinah völlig verschwand. Er hatte es einem Goblin abgenommen, den er zuvor getötet hatte.
Ul‘goth wartete, bis das Gerangel um das Essen seinen Höhepunkt erreichte, dann schleuderte er die rostige Waffe mitten in die Gruppe der Goblins. Ihr Grölen wurde von einem jähen Schrei unterbrochen, als einer der fünf Untergebenen des Fellträgers verwundet zu Boden ging; das Messer steckte tief in seiner Seite.
Schlagartig vergaßen die Goblins ihr Essen und zogen ihre schartigen Waffen. Sie beschuldigten sich gegenseitig, und ihr Misstrauen steigerte sich in Wut, die schließlich darin gipfelte, dass ein Goblin einen anderen mit dem Schwert erstach. Dem zuvor Verwundeten kam keiner zu Hilfe; er verblutete langsam an der Wunde des Wurfmessers.
Der Anführer der Gruppe brüllte unentwegt Befehle, die niemand beachtete. Seine drei übrigen Untergebenen waren in einen erbitterten Kampf verstrickt, und nichts vermochte sie nun noch aufzuhalten. Das erkannte auch der Fellträger; er zog eine Streitaxt, die für Ul‘goth allerdings kaum mehr als ein Handbeil gewesen wäre, und stürzte sich ins
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