Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)
sagen möchte ist, dass Lassie zwar jemanden braucht, der sie liebt, aber Liebe allein ist nicht immer genug. Jeder Hund ist anders, und das bedeutet, genau wie bei Menschen, dass jeder Hund eine Umgebung braucht, die das Beste in ihm zum Vorschein bringt. Im Alter von elf Monaten kam Lassie in die Art von Zuhause, für die sie gezüchtet worden war und ihr Problemverhalten schmolz dahin wie Eis in der Sonne. Sie kläfft nicht, kaut keine Sachen an und buddelt nicht, wenn sie es nicht soll. Lassie kam nach Hause – dank einer klugen Besitzerin, die verstanden hatte, dass ihre Stadtwohnung und ihr betriebsamer Alltag diesem aktiven kleinen Hund nicht gerecht werden konnte, der so danach hungerte, seine Fähigkeiten einsetzen zu dürfen.
Lassies Geschichte ähnelt der hunderter anderer Hunde, die ein neues Zuhause mit dem gleichen philosophischen inneren Frieden akzeptierten, mit dem Hunde den größten Teil des Lebens zu akzeptieren scheinen. Ich selbst glaube, dass Hunde in der Beziehung wie Menschen sind, als dass sie unglaublich starke emotionale Bindungen zu anderen eingehen können. Wie bereits erwähnt, habe ich kein Problem damit, das Liebe zu nennen. Aber im Gegensatz zu Menschen können Hunde sich in ihren Bindungen relativ leicht umorientieren, wenn es nicht zu oft geschieht. Meiner Ansicht nach liegt das daran, dass Hunde stärker in der Gegenwart leben als wir Menschen; vielleicht ein Vorteil, den sie uns gegenüber mit unserer so anderen intellektuellen Lebensauffassung haben.
Wenn man einmal darüber nachdenkt, gibt es keinen Grund dafür, warum Hunde eine Änderung der äußeren Umstände als Verrat von Seiten der Menschen ansehen sollten, die sie liebten. In Wolfsrudeln herrscht je nach Futterangebot und Paarungszeit ein ziemliches Kommen und Gehen. Manche Tiere werden aus dem Rudel vertrieben, während andere sich zum freiwilligen Gehen entschließen. Selbst viele Primatenarten verlassen mit der Geschlechtsreife ihr erstes Zuhause und suchen sich ein neues. Bei Schimpansen und Gorillas sind es vor allem die Weibchen, die ihr Zuhause verlassen und sich eine neue Gruppe suchen, bei den Pavianen und Makaken die Männchen. Davon abgesehen verlassen auch unsere eigenen Kinder, wie meine Kollegin Karen London anmerkt, irgendwann das Haus und gründen eigene Familien. Zuerst einmal ist das weder für den Gehenden noch für den Zurückgelassenen leicht, aber letzten Endes ist es das Beste. Wenn ein Tier in unser Leben tritt, dann ist es unsere Verantwortung, unsere Ressourcen und unsere Intelligenz dafür einzusetzen, ihm ein möglichst gutes Leben zu bieten – zu dieser Überzeugung bin ich inzwischen gekommen. Der Trick dabei ist, so viel über Hunde zu lernen, dass man weiß, was sie wirklich zum Glücklichsein brauchen und dass man sein eigenes Ego außen vor lassen kann.
Vor Jahren brauchte ich länger als es gut war dafür, um mir darüber klar zu werden, dass mein Border Collie Scott in einem anderen Zuhause besser aufgehoben wäre. Ich bin professionelle Hundetrainerin und behandle meine Hunde wirklich gut, ich lebe auf dem Land und ich habe Schafe – was also könnte für einen Border Collie besser sein? Davon abgesehen mochte ich Scott sehr. Aber er musste sich die Hütearbeit an meiner kleinen Schafherde mit drei anderen Border Collies teilen, was seinem wirklichen Arbeitsbedürfnis noch nicht einmal annähernd entsprach. Scott wollte so dringend arbeiten, dass er die ganze Nacht lang meine Katze im Haus hütete – was uns alle drei, mich, Scott und die bedrängte Katze, an den Rand des Wahnsinns brachte. Dazu war Scott auch noch scheu und hasste neue Dinge, während ich viel reise und meine Hunde andauernd mit neuen Orten, Menschen und Hunden konfrontiert werden. Er war auf Reisen gestresst und mochte die Besuche von Kunden oder Freunden auf dem Hof nicht. Letzten Endes fand ich für Scott ein neues Zuhause mit zweihundert Schafen, die jeden Tag bewegt werden mussten, mit wenigen Besuchern und mit zwei erwachsenen Menschen, die ihn sehr mochten. Ich möchte nicht so tun, als wäre mir das leichtgefallen. Das ist es nicht. Aber zwei Tage, nachdem ich ihn abgeliefert hatte (als ich wegfuhr, liefen mir so sehr die Tränen aus den Augen, dass ich an den Straßenrand fahren und anhalten musste), riefen seine neuen Besitzer mich an, entschuldigten ihn ohne ein Wimpernzucken für seine Eigenheiten, rühmten seine Fähigkeiten als Hütehund und sein freundliches Wesen. Mir fiel eine Zentnerlast von
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