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Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)

Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition)

Titel: Das andere Ende der Leine: Was unseren Umgang mit Hunden bestimmt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia B. McConnell
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wichtig ist die Fähigkeit, den Gesichtsausdruck unserer Hunde sorgfältig zu beobachten. So wie ein Profitennisspieler die Naht eines Tennisballes sehen kann, der mit 150 km/h auf ihn zufliegt, kann ein professioneller Hundetrainer die flüchtigen, subtilen visuellen Signale sehen, die voller Informationen stecken. Jeder kann das lernen, Sie müssen sich nur konzentrieren.
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    Mein Gebiet ist die Ethologie, die Wissenschaft vom Verstehen des Tierverhaltens als Resultat des Zusammenwirkens von Evolution, Genetik, Lernen und Umwelt. Ethologie basiert auf der Grundlage guter, solider Beobachtungen. Sie ist eine strenge Disziplin mit all den High-Tech-Instrumenten und den mathematischen Analysen, die man benötigt, um Genetik, Physiologie und Neurobiologie zu berücksichtigen. Aber sie beginnt mit den grundlegenden Beobachtungen, die jeder durchzuführen lernen kann: Beobachten Sie ein Tier und schreiben Sie auf, was es tut. Das klingt einfach, denn alles was Sie brauchen sind Sie, ein Tier, ein Bleistift und Papier. Kein teurer Apparat mit kompliziertem Namen ist nötig. Wenn kein Hund zur Hand ist, tut es auch jedes andere sich bewegende Lebewesen (Bürokollegen, Freunde oder Ehepartner eingeschlossen). Beschreiben Sie einfach, was der Vogel draußen, der Hund drinnen oder Ihr Kollege gerade tut. Seien Sie klar und präzise. »Mein Hund läuft umher« ist nicht klar und präzise. »Mein Hund geht langsam mit etwa einem Schritt pro Sekunde, hält seinen Kopf parallel zum Schultergürtel und die Ohren entspannt um 40 Grad zur Seite, aber nicht nach hinten gelegt ...« ist klar und präzise. Bis Sie das niedergeschrieben haben, macht das Tier allerdings schon längst wieder etwas anderes. Diese einfache Übung führt schnell zu Frustration, aber schließlich auch zu Bewunderung für die Komplexität von Verhalten.
    Bei einer der Demonstrationen, die ich gerne in meine Seminare einbaue, bitte ich meine Zuhörer, nur eine einzige Sekunde laut für mich auszuzählen. Während alle unisono »eintausend« sagen, hüpfe ich, drehe mich, wedele mit den Armen, lächle, schaue böse, lache und weiß der Himmel was sonst noch. Wenn Sie das auf Video aufzeichnen und wie ein Tierverhaltensforscher analysieren würden, würden Sie Dutzende verschiedener Aktionen feststellen, die alle innerhalb der Zeitspanne einer Sekunde geschehen. Eine Sekunde ist für einen Tierverhaltensforscher eine Ewigkeit, weil in weniger als einer Zehntelsekunde viele Aktionen stattfinden können. Gute Beobachtungen zu machen ist schwierig, weil zu viel auf einmal passieren kann, als dass Ihr Gehirn es überhaupt noch wahrnehmen könnte, geschweige denn als dass Sie es niederschreiben könnten. Weil so viele Aktionen gleichzeitig geschehen, ist eines der ersten Dinge, die Ethologiestudenten lernen, ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Aktionen oder Abschnitte zu konzentrieren und den Rest bis zu einer späteren Beobachtungsphase zu ignorieren. Wenn Sie im Beobachten geübter werden, können Sie mehr Details gleichzeitig wahrnehmen, aber am Anfang zahlt es sich aus, selektiv zu sein. Das Schärfen Ihrer Beobachtungsfähigkeit sollte sich direkt auf ein verbessertes Verhalten des Hundes auswirken, denn das, was Sie in der Nähe Ihres Hundes tun, sollte sich direkt darauf auswirken, was er tut. Nur weil seine Bewegungen minimal sind heißt das noch nicht, dass sie nicht wichtig sind.
    Nach jahrelanger Arbeit mit Hunden, die mich beißen würden, wenn ich ihre Körpersprache nicht richtig lesen könnte, habe ich mir eine Reihenfolge festgelegt, in der ich die Körperteile betrachte. Wenn ich einen Hund zum ersten Mal treffe, achte ich vorrangig auf seinen Körperschwerpunkt und auf seine Atmung. Lehnt er sich in meine Richtung, weg von mir, oder steht er gleichmäßig auf allen vier Pfoten? Wirkt er wie eingefroren still, atmet er normal oder zu schnell mit flachen Atemzügen? Gleichzeitig schaue ich auf Fang und Augen des Hundes, die mir ein ganzes Universum an Informationen verraten, achte aber darauf, ihm nicht direkt in die Augen zu starren. Auch die Rute ist wichtig, aber nicht so wichtig wie das, was im Gesicht zu sehen ist. Sie können einfach nicht alles auf einmal wahrnehmen. Wenn viel geschieht – sagen wir, der Hund beißt/stürzt auf mich zu oder, schlimmer noch, steht steif, mit hartem Blick und nach vorn gezogenen Lefzenwinkeln, habe ich möglicherweise keine Ahnung, was mit seiner Rute passiert – erst ein paar

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